Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most (Bremervörde), Günter Müller (Erfurt), Germany
Die heutige Opo-Geschichte von Dr. Ewa Gwiazdowska macht den Leser auf die Entwicklung und den daraus resultierenden Wandel in der Einstellung des Menschen zur Natur und zur Kunst aufmerksam (zum Glück!). Eine bestimmte Granitschale hätte im 21. Jahrhundert keine Chance mehr gehabt. Wir wissen bereits, dass das biblische “sich die Erde zum Untertan machen” nur zu ernsthaften Problemen führt und sich meist gegen den Homo sapiens wendet. Hätte so etwas jedoch stattgefunden, wie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts (siehe unten), dann hätte Ludwig Most es sicherlich fotografisch und filmisch dokumentiert (wenn auch nur mit einem Mobiltelefon) und dann ein künstlerisches Dokument geschaffen. Was mag der Grund sein? Der Maler war ein äußerst aufmerksamer Mann, der für alles Interessante, Andersartige und Moderne empfänglich war und daher daran interessiert war, all dies zu nutzen, um das perfekte Werk zu schaffen. [J.G.]
Dr. Ewa Gwiazdowska Most in der postglazialen Landschaft
Expedition LX
Die heutige Folge ist einer Schale aus Granit gewidmet, die von einem riesigen Felsbrocken stammt, den ein Gletscher aus Skandinavien mitgebracht hat. Der als Markgrafenstein bezeichnete Findling hatte sein Zielpunkt in Brandenburg, in den Rauenschen Bergen bei Fürstenwalde, erreicht und war als Naturkuriosum eine Touristenattraktion. Als man beschloss, daraus ein Gartenkunstwerk zu machen und es in Berlin, im königlichen Garten (Lustgarten) an der Spree, aufzustellen, war es um den Findling in seiner ganzen Größe geschehen. Im Lustgarten steht noch heute auf einem Sockel, die aus dem Findling geschaffene Granitschale. Sie ist von prächtigen Gebäuden umgeben: Das Alte Museum des bedeutenden Architekten Karl Friedrich Schinkel (1781-1841), der auch in Pommern erfolgreich tätig war, der Dom vom Ende des 19. Jahrhunderts nach einem Entwurf von Julius Carl Raschdorff und das neu errichtete Königsschloss. Die Installation der Schale im königlichen Garten zwischen 1831 und 1834 war ein großes technisches Projekt und ein besonderes Ereignis für die Berliner. Die Arbeit des Steinmetzes spiegelt sich in der Komposition vieler Künstler wider. Ludwig Most und sein Lehrmeister an der Berliner Akademie der Künste, Johann Erdmann Hummel (1769-1852), Professor für Optik und Perspektive, können mit ihren Skizzen und Bildern das damalige Geschehen so nachvollziehbar gestalten, dass dadurch auch für uns (fast 200 Jahre später) die gewaltige Leistung begreifbar wird..
Brandenburgs Exotik
Pfingsten 1827 unternahm Most einen Ausflug in die Nähe von Fürstenwalde, zu den Rauenschen Bergen. Er muss dort von einem Gletscherstein namens Markgrafenstein erfahren haben, der weithin bewundert wurde. Die Menschen staunten über seine Größe, und seine Form ermutigte sie, auf den Felsen zu klettern. Der Stein wurde von der Südseite her eingezäunt. Eifrige Wanderer überwanden dieses Hindernis jedoch mühelos und erklommen den Felsen. Dies wurde durch eine schmale Stange unterstützt, in die Stufen geschnitten worden waren. Diese prekäre “Leiter” wurde an die Wand gelehnt und damit konnte ein steiler Abschnitt erklommen werden. Das weitere Klettern erfolgte über die raue Felsoberfläche. Most erinnerte an mehrere Touristen, die das Werk der Natur bewunderten, und an einen agilen jungen Mann, der auf dem “Berg” saß. Laut Julius Schoppe, einem Kopisten des Most-Stichs, handelt es sich bei dem Mann im Zylinder unten rechts um den Steinmetz Christian Gottlieb Cantian, der für das gesamte Werk verantwortlich war.
Der Felsbrocken “kommt unter die Axt”
Das nächste Mal erschien Most am Markgrafenstein, als die Spaltung begann, um eine prächtige Schale für den königlichen Garten anzufertigen. Dieser Moment wurde auch auf einer Lithographie festgehalten. Diesmal stellte er den Stein umgeben von einem Gerüst dar, das an den Seiten vertieft ist. Oben auf dem Felsen stand der Arbeitsleiter, wahrscheinlich Cantian persönlich. Die Steinmetze spalteten den Granit, indem sie mit Hämmern eine Reihe von Keilen einschlugen, um eine Lücke zu schaffen. Sie erklommen die Steinmauer über einen breiten Steg, der aus langen Brettern bestand, die durch Querbalken verbunden waren, die gleichzeitig als Sprossen dienten. Die Natur musste sich den Bestrebungen des Menschen beugen, der sich, wie es in der Bibel heißt, “die Erde zum Untertan gemacht hat”.
Die Schale geht auf eine Reise
Die dritte einer Reihe von Most-Lithografien, die der Herstellung einer Granitschale gewidmet ist, zeigt die Ingenieurskunst und die Arbeit zahlreicher Arbeiter, denen es zu verdanken ist, dass eine vorbehandelte Schale auf ein speziell gebautes Boot gehievt wurde, um sie die Spree hinunter nach Berlin zu bringen. Das Werk wog achtzig Tonnen. Der Transport der Schale aus den Rauenschen Bergen erfolgte auf einer eigens dafür gebauten und mit Holzbohlen belegten Straße. Die Schale wurde darauf mit Hilfe von Fichtenstämmen bewegt. Die Reise zum Fluss dauerte sechs Wochen, wie Bogdan Krieger in seinem Buch „Berlin im Wandel der Zeit. Eine Wanderung vom Schloss nach Charlottenburg durch 3 Jahrhunderte”, schreibt.
Porträt einer Schale auf der Spree
Most hat die nächste Etappe der Reise der Schale nur in Form von Skizzen hinterlassen. Er dokumentierte den Blick auf das Werk, das auf einem doppelten Sockel aus Balken steht, die auf einer Reihe von Baumstämmen platziert sind und so das Rollen dieses Kolosses ermöglichen. Die Schale dieser hohen Konstruktion wurde in der Mitte des Bootes befestigt. Im hinteren Teil befand sich eine Holzkabine für den Schiffer. Most zeigte nur den technischen Entwurf, aber es ist bekannt, dass die Reise der Schale von einer großen Mannschaft begleitet wurde. Der Einzug in Berlin am 6. November 1828 war sehr feierlich. Alle Steinmetze, die an der Herstellung des Werks beteiligt waren, waren anwesend.
Mosts technische Interessen und mehr
Das Interesse von Most beschränkte sich nicht auf den Anblick der Schale beim Transport. Der Künstler hat die genauen Maße der Schale an verschiedenen Stellen gemessen oder herausgefunden. Er gab in der Zeichnung die Dicke des Bodens, die Dicke des Randes der Schale, die Höhe vom Boden bis zur Unterkante des Randes, den Durchmesser, den Winkel zwischen Boden und Seite, den Querschnitt des Trägers, der die Schale während des Transports stützt, und die entsprechende Holzrolle, auf der die Schale rollte, an. Auf derselben Seite skizzierte Most die Figuren von Menschen verschiedener Berufe in ihrer typischen Kleidung sowie Kinder, die ihm bei seiner Arbeit an der Dokumentation des Schicksals der Schale ins Auge fielen. Er markierte die vorherrschenden Farben in ihrer Kleidung.
Die Abenteuer der Schüssel in Berlin
Die zweite Serie von Darstellungen der Schale wurde während der Berliner Zeit, wahrscheinlich aufgrund der Bedeutung des Vorhabens, einem Professor für Optik und Perspektive an der Akademie der Künste anvertraut. Johann Erdmann Hummel schuf drei Gemälde. Eines der Bilder, leider ein Kriegsverlust, zeigt das Wenden der Schale mit einer großen Winde. Baurat Cantian ist in der Bildmitte vor der Schale zu sehen. Bevor die Schale die Museumsinsel erreichte hatte sie auf ihrem Transport kurz vor dem Endziel noch einen problematischen Engpass zu überwinden. Die Grünstraßenbrücke, eine Holzjochbrücke über den Spreeschleusenkanal, musste an den Seiten noch um einige Zoll verbreitert werden, damit die 7m breite Schale über diese Brücke transportiert werden konnte.
Die Schale erhält einen Glanz
Nach der Ankunft in Berlin musste die Schale fertiggestellt und poliert werden. Die Idee war, die Steinoberfläche wie einen Spiegel glänzen zu lassen. Auf diese Weise sollte die Schale zu einer originellen Attraktion für Berlin und seinen Stolz werden. Der Abschluss der Arbeiten dauerte zweieinhalb Jahre. Hummel stellte das Innere einer großen Werkstatt dar, die durch große Glasscheiben beleuchtet wird. Der auf einer Holzplattform platzierte Stein wurde maschinell poliert. Das anschließende Drehen der Schale nach der Politur und unmittelbar neben der neuen Werkstatthalle ist auf dem zuvor gezeigten Bild erkennbar.
Die Schale in ihrer vollen Pracht zieht die Blicke der Spaziergänger auf sich
Als J.E. Hummel die wie ein Spiegel polierte Schale präsentierte, nahm er das wörtlich. Um die Wirkung eines Spiegels zu vermitteln, verschob er die Figuren der in der Nähe stehenden Passanten in der Reflexion. Mit dieser illusorischen Sichtweise bezog er sich auf die Idee der Realisten, dass ein Kunstwerk, in diesem Fall ein Steinwerk, ein Spiegel ist, der auf der Straße liegt und das Geschehen dort reflektiert. Der Spiegeleffekt wurde gleichzeitig zu einer Demonstration der Fähigkeiten des Professors für Optik und Perspektive an der Berliner Akademie.Erst 1834 erhielt die Schale ihren endgültigen Standort. Die ursprünglich geplante Aufstellung in der Rotunde des damals neuen und heute “Alten Museums” konnte infolge der Größe und des Gewichtes der Schale nicht ausgeführt werden. Deshalb wurde zuerst provisorisch 1831 und später endgültig 1834 nach einem vom König genehmigten Schinkelvorschlag die Schale im Lustgarten vor der Treppenanlage in das Museum aufgestellt. Wahrscheinlich entstand zu diesem Zeitpunkt 1831 das letzte Gemälde aus Hummels Reihe, das der Schale gewidmet ist. Der Meister der Optik nutzte diese Gelegenheit, um den Spiegeleffekt zu reproduzieren, der auf der Steinoberfläche durch perfektes Polieren erzielt wurde. Heute ist dieser Effekt nicht mehr vorhanden, denn der Einfluss der Großstadtatmosphäre hat die Bemühungen der früheren Handwerker zunichte gemacht.
Die Schale ist immer noch schön anzusehen, aber inzwischen hat sich der Umgang mit der Natur verändert. Die Einzigartigkeit der Werke der Natur wurde gewürdigt. An der Fundstelle in den Rauenschen Bergen bei Fürstenwalde sind noch die großen Felsblöcke des Markgrafen, der Große und der Kleine Stein, erhalten. Ihr Gewicht wird auf über siebenhundert Tonnen geschätzt. Im Jahr 2006 wurden sie in die Liste der 77 deutschen Nationalen Geotope aufgenommen. Deshalb sind sie rechtlich geschützt und erfreuen mit ihrer Einzigartigkeit auch die Augen vieler Touristen. Sogar Menschen von außerhalb der Region kommen, um diese natürlichen Kuriositäten zu sehen.
Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most (Bremervörde), Günter Müller (Erfurt), Germany
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