Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most (Bremervörde), Günter Müller (Erfurt), Germany
Bei der Lektüre der letzten Episoden der Opo-Geschichten von Dr. Ewa Gwiazdowska erfuhren wir, dass Ludwig Most nicht nur ein Liebhaber, sondern auch ein aufmerksamer Beobachter der Natur war. Die Schönheit der Natur in verschiedenen Formen findet sich in seinen zahlreichen Skizzen und Ölbildern wieder. Wenn wir im Einklang mit der Natur leben und ihre Vorteile genießen wollen, stehen wir vor vielen Herausforderungen. Die wichtigste davon ist der bewusste Schutz der natürlichen Umwelt. Wir suchen nach wirksamen Wegen, um ihre Verschlechterung zu verhindern und die Grundsätze einer gesunden Lebensweise zu fördern. Hier kommt uns die Soziologie zu Hilfe – eine interdisziplinäre Wissenschaft, die die durch den technischen Fortschritt bedingten Veränderungen der natürlichen Umwelt erfasst. Sie stützt ihre Arbeit auf Ökologie und Naturwissenschaften wie Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei und Jagd. Letztlich entscheidet aber jeder von uns täglich neu, ob er sich noch lange an den Bildern der Natur erfreuen kann, die der Maler in seinen Werken verewigt hat. [J.G.]
Dr. Ewa Gwiazdowska Ein Ersatz für das Paradies
Expedition LXV
Das Bedürfnis, unsere Umgebung mit Grünpflanzen zu verschönern, ist universell. Vielleicht fühlen sich die Menschen dadurch dem Paradies, das sie vor Tausenden von Jahren verlassen mussten, näher. Indem sie Pflanzen pflegen, erfüllen sie, wahrscheinlich manchmal unbewusst, Träume von der Rückkehr ins vergangene Paradies. Grün gibt uns nicht nur ein gutes Gefühl, es beruhigt auch unsere Augen. Es ist bekannt, dass die menschlichen Augen evolutionär noch in der Zeit stecken, als unsere Vorfahren im Grünen lebten. Die Sonnenstrahlen erreichten die Augen gefiltert durch die Blätter. Wo die Sonne scharf und direkt scheint, zum Beispiel in den Hochgebirgen Asiens, erblindet man. Dieses Bedürfnis nach Grün spiegelt sich in vielen von Mosts Kompositionen wider, zum Beispiel in der Studie für das Gemälde Der Brautführer [Der Hochzeitsbitter[1]] harmoniert das Grün mit den roten Farben. Grün und Rot sind Komplementärfarben.
Grün verleiht den Wänden Charme
Most malte gern Bauernhöfe. Sie waren ihm von seinen Reisen zu seiner Familie in der Nähe von Pyritz und seinen Wanderungen durch Pommern vertraut. Beim Zeichnen und Malen von Bauernhäusern legte er großen Wert auf die Darstellung von Grünflächen, die sie schmücken und die alten Mauern verschönern. Auf dem Gemälde Der Brautführer [Der Hochzeitsbitter] umgibt er den Eingang des Hauses mit Kletterpflanzen, deren Ranken in Richtung Sonne hinaufschießen. Hinter der Seitenwand des Hauses zeigt er Bäume, die bis über die Dächer wachsen. Beim Malen des Hofes vor dem Haus vergaß er nicht die dort wachsenden Grasflächen und Staudenbüschel wie Kletten, Wegerich und Nieswurz. Auch in der Ferne, über den Dächern der Häuser an der Dorfstraße, sind Bäume zu sehen.Die Kraft der wachsenden Pflanzen
Bei einem Spaziergang durch Stettin und Umgebung zeichnete Most auf eine Seite seines Skizzenbuchs Fragmente von Büschen, die sich in verschiedene Richtungen, nach oben und zur Seite, verzweigen. Darunter befand sich ein Teil eines Weinstocks, der dicht mit Blättern bedeckt und mit einer Ranke versehen war. Eine solche Skizze gehörte wahrscheinlich zu dem Werk, das der Entstehung des Gemäldes Der Brautführer [Der Hochzeitsbitter] vorausging. Auf diesem Gemälde sieht man links, wie die Rebe an der Hauswand nach oben und zur Seite wächst.
Die Sonnenseite des Lebens
Im Jahr 1840 porträtierte Most Mitglieder seiner Familie während eines wichtigen Lebensereignisses. Es handelte sich um den feierlichen Auszug einer Familiengruppe mit einer Patin, die ein Baby trägt, aus einem Landhaus. Sie gehen in die Kirche, um die Aufnahme des Kindes in die christliche Gemeinschaft zu vollziehen. Die Familie ist vor einer mit Weinreben geschmückten Hauswand abgebildet, die von der Morgensonne hell erleuchtet wird. Der Innenhof des Hauses ist von üppigen Büschen umgeben, und über dem Dach befindet sich die Krone eines alten Baumes, der das Haus nicht nur vor schlechtem Wetter schützt, sondern zugleich alles verschönert. In der Ferne sind die Kirche und andere Dorfhäuser zu sehen. Alle Gebäude sind von grünen Bäumen und Sträuchern umgeben.Natürlicher Vorhang
Eines Tages “porträtierte” Most eine sich ausbreitende, mit jungen Blättern bedeckte Weinranke. Sie wurde unter ein Fenster gepflanzt, das bereits völlig verdunkelt ist. Dank eines Sprossengitters, das über dem Fenster angebracht war, konnten die Ranken in die Höhe wachsen. Es ist möglich, dass die Zeichnung im Zusammenhang mit dem Gemälde des Taufganges aus demselben Jahr steht. Im Hintergrund der Hauptfigurengruppe des Gemäldes sind die Formen des Fensters zu erkennen, das fast vollständig von Ranken überwuchert ist.
Könnte es ein Vorbote des Jugendstils sein?
Most war viele Jahre lang von den zarten Rebentrieben fasziniert. Diese Leidenschaft entwickelte sich vermutlich während seiner Berufsausbildung, als der Künstler in einem Vorort von Dresden an einem mit Weinbergen bedeckten Talhang lebte. Eine der Zeichnungen, die von seiner Vorliebe für das Motiv der Weinrebe zeugt, ist eine Skizze, die ein von dieser Pflanze verdecktes Fenster zeigt. Most beobachtete das Motiv, als er sich im Raum befand. Er markierte die Girlandenvorhänge über dem Fenster. Die hinter den Sprossen des Fensters sichtbaren Rankenstränge entwickeln sich asymmetrisch und wirken sehr dekorativ. Jedes der Blätter hat eine andere Form. Sie werden von krausen Ranken begleitet, die die Leichtigkeit der natürlichen Struktur des Strauches unterstreichen.
Ein regelmäßiger Besucher auf dem Lande
Ein Holunderbusch ist auch in Ludwig Mosts Gemälde “Lauschende Mädchen” nicht zu übersehen. Das Thema dieser Komposition spielt sich vor einem Landhaus in den bayerischen Alpen ab, die Most im Sommer 1840 besuchte. Ein schöner blühender Strauch verleiht der schlicht verputzten Hauswand einen besonderen Charme. Vielleicht ist er auch symbolisch mit der Szene des Gesprächs zwischen dem verliebten Paar verbunden. Schon in der Antike war der Holunder als Mittel gegen Liebeskummer bekannt. Weiße Blumen wurden mit der Welt der guten Geister in Verbindung gebracht. Schwarze Früchte symbolisierten teuflische Kräfte. Holunder ist auch in Pommern in der Umgebung von Bauernhäusern zu finden. Liebesbeziehungen ähnlicher Art waren demzufolge sicherlich auch in Pommern keine Seltenheit.
Die Würde wird auch durch Pflanzen unterstrichen
Wir wissen, dass Most auch die Werke anderer Maler kopierte. Ein Beispiel ist ein Porträt des berühmten Stettiner Industriellen und Kunstliebhabers Heinrich Scheeffer. Es ist jedoch nicht bekannt, ob Most die gesamte Komposition oder nur die Figur der pommerschen Persönlichkeit kopiert hat. Scheeffer wird in einer romantischen Art und Weise porträtiert. Er steht neben einer Säule, vor dem Hintergrund einer alten Mauer, von der Efeu herabhängt. Hinter der Brüstung der Balustrade wächst ein Strauch mit ovalen, spitzen Blättern.
Um welche Art von Pflanzen handelt es sich?
Unter Mosts Skizzen befinden sich auch einige, die Zweige eines Strauches zeigen, dessen Anordnung und Blätter denen auf Scheeffers Porträt ähneln. Einer der Triebe wächst nach oben und spreizt kurze Äste zu den Seiten. Die andere, dicht mit Laub bedeckte, entwickelt sich nach rechts. Sie ähneln der Pflanze, die sich im Scheeffer-Bild über die Brüstung erhebt. In den freien Raum der Karte hat Most die phantasievolle Form eines kranken Blattes eingefügt, das auf einer Seite eingerollt und zerrissen ist. Die Fähigkeit, eine solche Anomalie der Form künstlerisch darzustellen, zeichnet Most als geschickten Naturbeobachter aus.
Natürliche Girlanden
Unter den erhaltenen Skizzen von Most gibt es allerdings keine Ansicht eines herabhängenden Efeutriebs, wie sie in Scheeffers Porträt zu sehen ist. Es gibt aber auch andere Motive von frei hängenden Sträuchern. Most schätzte ihre ornamentalen Formen. Eine der Pflanzen ähnelt einer Goldwurzel. Die Skizze ist eher schematisch und zufällig, gibt aber dennoch das Aussehen dieser Art wieder. Ein belaubter Zweig, der nach Licht strebt, entwickelt sich seitlich nach oben. Die Blütenstände fallen von ihm herab und bilden dekorative Girlanden.
Eine Erinnerung aus dem Park
Dieses pittoreske Motiv dürfte Most irgendwo in Berlin, zu Beginn seines Studiums an der Kunstakademie, gezeichnet haben. Das Hauptmotiv ist ein sich ausbreitender Busch, der auf einer kleinen, kuppelförmigen Insel in der Mitte der Strömung wächst. Der Busch verdeckt teilweise eine Bogenbrücke mit einem Ziergeländer, die über die Insel auf die andere Seite des Wassers führt. Der Hintergrund dieses bezaubernden Motivs ist die Umgebung, die mit einer dünnen Linie zart gezeichnet ist. Auf der linken Seite ist eine baumbestandene Parkanlage zu erkennen. Ein Weg führt am Wasser entlang. Auf der rechten Seite lassen die sich kreuzenden vertikalen und horizontalen Linien auf einige ziemlich hohe Gebäude schließen.
Dünen fast wie in einer Wüste
Kehren wir zum Bild der Meeresküste bei Misdroy zurück. Most malte diese melancholische Landschaft am zweiten August 1850. Damals war Misdroy noch ein kleines Fischerdorf, dessen Ruhm als Badeort sich gerade erst abzuzeichnen begann. Die Landschaft beweist, dass Most ein Gespür für die Schönheit eines jeden Stücks Natur hat, selbst eines so armen Stücks wie der baltischen Sanddünen. Dem Künstler gelang es, dem Anblick der mit trockenem Gras bewachsenen Hügel Schönheit abzugewinnen. Im Vordergrund hat er kleine, gelb blühende Pflanzen und Stechpalmen mit markanten grün-blauen Blättern abgebildet, im Hintergrund niedrige Sträucher.
Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most (Bremervörde), Günter Müller (Erfurt), Germany
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