Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most (Bremervörde), Günter Müller (Erfurt), Germany
Welche Assoziationen, Bilder, Erinnerungen weckt das Wort “Blumen”? Wenn ich mir farbenfrohe Pflanzen ansehe, denke ich oft an die Worte des deutschen Schriftstellers Peter Hille (1854-1904): “Eine Blume ist das Lächeln einer Pflanze”. So ein englisches Sprichwort: “Das Glück, das man hat, ist wie ein Samenkorn; das Glück, das man teilt, ist eine Blume”. Und es gibt immer angenehme Erinnerungen: Ereignisse, Situationen, Menschen oder auch Farben, Formen, Gerüche. Was auch immer wir sagen, eines ist sicher, dass auch im Werk von Ludwig Most dieser Pflanzenteil als Malmotiv sehr häufig in Gemälden und Skizzen auftaucht, worüber Dr. Ewa Gwiazdowska in einer weiteren interessanten Episode ihrer Opo-Geschichten schreibt. [J.G.]
Dr. Ewa Gwiazdowska Blumenkultur
Expedition LXVII
Ludwig Mosts Werke zeigen oft auch die kultivierte Natur, Blumen und Pflanzen, die den Menschen zu Hause und in gesellschaftlichen Situationen begleiten. Der Maler stellte Motive aus der Natur dar, die Teile von Bräuchen und Sitten waren, häufig mit Festen und Feiern verbunden und die die Umgebung, in der man täglich lebte, verschönerten und angenehm machten oder auch symbolische Bedeutungen ausdrücken sollten. Most malte Blumen als Zeichen für die Gefühle eines jungen Mannes seiner Geliebten gegenüber beim Treffen während eines Spaziergangs vor einer Trinkhalle im Alpenort Kreuth. Dem jungen Mann muss einer Dame aufgefallen sein, die mit ihren Eltern durch die Gassen des Kurortes schlenderte, und, indem er ihr einen Strauß roter Blumen anbot, beschloss er nicht nur, ihre Bekanntschaft zu machen, sondern ihr wortlos seine Zuneigung zu bekunden.
Bedeutungsvolle Blumen
Das Motiv des Blumenstraußes als Gefühlsbekundung taucht in dem Gemälde auf, das eine junge Pommerin in festlicher Tracht zeigt, die mit Spinnen beschäftigt ist. Die Frau arbeitet am Fenster, um gutes Licht zu bekommen. Ein warmer Frühlingstag ermutigte sie, das Fenster zu öffnen, damit die frische Luft ihre Arbeit angenehmer machte. Ein älterer Dorfbewohner nutzte dies aus und stellte sich mit einem schönen Blumenstrauß ans Fenster. Most kombinierte zwei komplementäre Farben in seinem Strauß – das Rot der Rosen und das Grün der Rosenblätter. Die Farben harmonieren mit den Farben des Kleides der Spinnerin und stehen im Gegensatz zu den Emotionen, die die beiden Teilnehmer des Ereignisses zum Ausdruck bringen. Die Schönheit des Rosenstrauchs in Verbindung mit den scharfen Dornen, die unerwartet die Finger verletzen, erklärt die Zweideutigkeit der Situation: die Frechheit des Mannes und der Rückzug der Frau.
Blumen machen schön
Most zeigt einen anderen Strauß, der neben einem jungen Bauernmädchen aus Pyritz steht, das sich für einen Tanz bereit macht. Er enthält Blüten in verschiedenen Farben und Formen, die mit grünen Blättern durchsetzt sind. Die Blumen stehen in einer Vase auf einer Kommode, über der ein Spiegel hängt. Während sie in den Spiegel schaut, passt die Frau ihr Pommersches Kostüm für das Dorffest an. Sie möchte so hübsch wie möglich aussehen, vielleicht, um die Aufmerksamkeit eines Mannes zu erregen, der ihr gefällt, oder, um einem Fremden im Hinblick auf eine Heirat zu gefallen. Der Strauß in der Vase korrespondiert mit einem anderen, kleineren Strauß, den die Frau gerade in die Hand nimmt oder an ihr Kleid heftet. Eine andere, in Öl geschriebene Version der Komposition von Most spricht davon. Die Farben der Blumen unterstreichen die Farben des Kostüms des Mädchens, ihre Sorgfalt und ihren Geschmack bei der Vorbereitung ihrer Kleidung und die Anmut ihrer Jugend.
Die geheimnisvolle Aura des Spaßes
Ein bestimmtes Gemälde aus der Spätzeit von Most stellt eine groteske Szene dar. Der Künstler hat ein junges Paar gemalt, das wohl an der Verkleidung eines Kindes seinen Spaß hat. Die Braut scheint eine ältere Person zu sein, die sich bereit erklärt hat, an einem Erwachsenenspiel mit einem jungen Mann teilzunehmen. Das Kind steht stolz in einer großen roten Weste, als hätte es sie von seinem Vater geliehen. Unter den Gürtel, der seine Kleidung festhält, hat der Junge eine große, rosa blühende Malve gesteckt. Die Farbe der Blume und das Grün der noch nicht erblühten Knospen und Blätter betonen kontrastreich den frischen Teint und den Charme des Kindes und geben der Szene eine märchenhafte Atmosphäre.
Blumen als Ausdruck herzlicher familiärer Gefühle
Einen der Bräuche, in der Familie Feste zu feiern, schilderte Most in der Szene vom Geburtstag eines Großvaters. Blumen spielen dabei eine ebenso wichtige Rolle, wie in den Beziehungen, die mit einer Ehe verbunden sind. Sie vermitteln auch Gefühle der Liebe. Darüber hinaus spiegeln sie Freude und das Gedenken an einen nahen Verwandten wieder und dienen dazu, seinen Jahrestag feierlich zu begehen. Die Mädchen überreichen dem Großvater Blumen. Ein Enkel schenkt dem älteren Mann einen Kuchen. Die ältere Enkelin begrüßt ihren Großvater und gratuliert ihm zu seinem Geburtstag, indem sie ihm einen Korb mit schön gestalteten Blumen überreicht. Die Jüngere läuft mit einem Blumenstrauß in der Hand zu ihrem geliebten Großvater.
Bedeutung der Blumen
Prächtige Zimmerpflanzen spielten eine repräsentative Rolle. Ihre dekorativen Formen betonten den Reichtum und die Würde der dargestellten Person. Außerdem ergänzten, variierten und belebten sie die Komposition. Eine derartige Rolle nutzte Most, als er ein Porträt von Juliane Henriette Woldermann, einer Stettiner Kunst-Sammlerin, malte. Das ornamentale Motiv zweier Pflanzen, die eine Art lebende Säule anstelle einer massiven Säule bilden, wurde vom Künstler auf der linken Seite der dargestellten Figur platziert, um einen Ausgleich für die Draperie zu schaffen, die den rechten Teil des Bildes einnimmt. Die breiten, asymmetrisch geschwungenen Blätter der Pflanze, die die “Säule” krönen, und die verschlungenen Formen der gelappten Blätter der sich üppig ausbreitenden zweiten Pflanze verweisen auf die Spitze und die üppigen Falten des Kleides der dargestellten Frau.
Üppiges Leben – nur ein Traum
Als er ein Porträt seiner eigenen beiden Kinder malte, gab Most der Friedenspflanze eine etwas andere Bedeutung und behandelte das Motiv kompositorisch anders. Das Gemälde wurde begonnen, als die einzige überlebende Tochter acht Jahre alt wurde und sich noch auf der Sonnenseite des Lebens befand. Das Werk wurde nach ihrem Tod vollendet. Eine üppige Pflanze mit großen, dekorativen Blättern schafft ein Farbgleichgewicht mit dem ebenfalls grünen Vorhang, der auf der gegenüberliegenden Seite des Bildes hängt. Seine üppige Form korrespondiert mit der Lebensfülle der abgebildeten Kinder, die aus dem Fenster auf die Welt schauen. Schon jetzt eröffnen sich ihnen neue Perspektiven. Leider starb das Mädchen, bevor die Arbeiten abgeschlossen waren. Zum Gedenken an diese Tatsache drückte ihr Vater ihr einen Sterbekranz in die Hand. Zwischen die Formen der dekorativen Pflanze platzierte er ein kleines Efeublatt – ein immergrünes Symbol für Tod und Unsterblichkeit, das die Stämme von Bäumen an Grabstätten umhüllt.
Pflanzen helfen beim Denken
Viele seiner häuslichen Pflanzenmotive verdankt Most wahrscheinlich seinen Beobachtungen der Blumen, die die Fensterbänke schmücken. Ein reizvolles Beispiel ist die Fuchsie, die ihre zarten Blüten in eigentümlichen Formen über den Kopf eines Bauernmädchens hängt. Das Kind sitzt am Fenster und schaut, auf einem Bleistift kauend, gedankenvoll auf, um seine Hausaufgaben zu lösen. Die schöne Fuchsie kann ihr bei dieser Aufgabe helfen. Most mag es geahnt haben, und wir wissen heute, dass Kinder in der Natur besser lernen und Erwachsene kreativer sind. Fuchsien wurden im späten 17. Jahrhundert auf den Inseln von Haiti entdeckt. Wie Sie sehen können, fanden sie bereits im 19. Jahrhundert ihren Weg nach Pommern, in die Häuser der Bauern. Vielleicht waren sie aber auch noch sehr exotisch, und deshalb beeindruckte eine von ihnen Most so sehr, dass sie zu einem wichtigen Motiv des Gemäldes wurde.
Mode für Geranien
Pelargonien kommen in den Gemälden von Most häufiger vor als andere Blumen. Vielleicht, weil sie erst im 19. Jahrhundert ihren Weg von Afrika nach Europa fanden. Der Artenreichtum, die ornamentalen Formen der Blätter, die Üppigkeit der blühenden Pflanzen, das Flair der Farben müssen die Augen angezogen und den Betrachter erfreut haben. Interessanterweise blühen die Pflanzen in den Werken von Most nicht. Stattdessen sehen ihre hohen Stämme mit den großen Blättern auf der Fensterbank sehr dekorativ aus. Eines der Exemplare ist in einer Szene zu sehen, die sich an einem Sonntagmorgen in der Kammer eines Bauern abspielt. Die kleine Enkelin, umgeben von drei Frauengenerationen, der Großmutter, der Mutter und der älteren Schwester, zeigt voller Stolz dem Großvater, der am Fenster sitzt, eine neue rote Schürze. Das intensive Rot des Stoffes harmoniert perfekt mit den grünen Blättern der Geranien, die am Fenster wachsen. Daneben steht ein zweiter Topf mit kleinblättrigen Geranien, die in Wellen auf die Fensterbank fallen.
Das universelle Leben der Geranien
Heutzutage werden Dekorationen aus Geranien vor allem mit Balkonen in Verbindung gebracht. Die Pflanzen sehen wunderschön aus mit ihrer üppigen Blüte, die buchstäblich aus den Blumen-Kästen quillt, mit denen die Balkone in den Alpenstädten behängt sind. Pelargonien wurden bereits vor der Mitte des 19. Jahrhunderts auf Balkonen gepflanzt. Das beschreibt Most in seiner stimmungsvollen Komposition über eine Familienszene auf einem Tiroler Balkon an einem Sonntag. Eine festlich gekleidete Familie entspannt sich bei den Klängen einer Mandoline. Die grünen Blätter der Geranien, die auf dem Balkongeländer stehen und draußen in den Lücken der Balkone zu sehen sind, bilden einen Ausgleich zu den Rot-, Braun- und Blautönen der Trachten und der Umgebung. Sie beleben auch die abendliche Landschaft, deren Details von der einbrechenden Dunkelheit verdeckt werden.
Der Arzt im Topf
An die bescheidene Wohnung, die Most mit seiner jungen Frau und seinem Sohn in Dresden-Loschwitz bewohnte, erinnert eine Genrekomposition, die eine Frau mit einem Baby zeigt, die auf die Rückkehr ihres Mannes von der Arbeit wartet. Auf der Fensterbank zeigte Most einen Topf mit Aloe Vera. Diese Pflanze wird seit dem Altertum als Heilmittel für verschiedene Krankheiten geschätzt und wurde als “Arzt im Topf” bezeichnet. Sie verbreitete sich von Afrika und Mittelostasien nach Europa. Wahrscheinlich war sie im Haushalt des ersten Malers sehr nützlich, wenn es schwierig war, einen Arzt zu finden und das Kind versorgt werden musste. Der Topf mit Aloe Vera war immer “zur Hand”. Der Reproduktionsstich nach dem Gemälde von Most wurde für die vierte Ausgabe der Bilderchronik des Sächsischen Kunstvereins von dem Dresdner Grafiker Pötschke angefertigt. Die Mappe diente der Förderung der Dresdner Künstler durch die Verbreitung ihrer Gemälde in Form von Stichen.
Gemütliche Atmosphäre in einem Gasthaus
Auch in Gasthäusern und Schänken wurden Topfpflanzen gepflegt. Durch die Dekoration der Fenster schufen sie eine wohnliche, gemütliche Atmosphäre. Im Inneren des Gasthauses, an das Most erinnert, diskutiert eine Gruppe von Männern über die Weltnachrichten, die einer von ihnen in einer Zeitung liest. Die humorvoll behandelte Szene spielt sich unter einem Fenster ab, durch welches das zum Lesen notwendige natürliche Licht einfällt. Die Fensterbänke sind mit zwei Töpfen verziert. In einem von ihnen wächst eine zarte Geranie. In der anderen ein Feigenkaktus, der seit dem 15. Jahrhundert in Europa bekannt ist. Damals wurde diese Kaktusart aus dem “neu” entdeckten Amerika mitgebracht. Ich frage mich, ob Most den Pflanzen in dieser Darstellung symbolische Bedeutungen zugeschrieben hat. Ein Reproduktionsstich nach dem Gemälde von Most wurde von Christian Ernst Stölzel (1792-1837) auch für die 4. Auflage der Mappe Bilderchronik des Sächsischen Kunstvereins angefertigt.
Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most (Bremervörde), Günter Müller (Erfurt), Germany
Komentarze