Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most (Bremervörde), Günter Müller (Erfurt), Germany
In der nächsten Folge von Ewa Gwiazdowskas Opo-news erfahren wir Details zu Modetrends, die in der Praxis umgesetzt werden, d.h. in Alltagssituationen, Feiertagen und bei anderen außergewöhnlichen Umständen. In dieser Hinsicht sind Mosts Gemälde eine große Quelle visuellen Wissens. Die Restriktion der Modemaßstäbe früherer Jahrhunderte spielte eine große Rolle im gesellschaftlichen Leben. Glücklicherweise gilt das nicht mehr für uns. Es ist jedoch schade, dass die Wahlfreiheit, ein individuelles Bild zu schaffen, oft nicht mit gutem Geschmack und Sinn für Ort und Zeit einhergeht. Das ist aber wichtig – gerade im öffentlichen Raum. [J.G.]
Dr. Ewa Gwiazdowska Auf dem Weg zu Most
Expedition LXXV
Wir stöbern in Zeitschriften, wir schauen uns Gemälde an
Berühmte Modezeitschriften des achtzehnten Jahrhunderts sind die “Galerie des Modes” (Modegalerie), das “Journal de la Mode et du Goût” (Zeitschrift für Mode und Geschmack), das “Journal des Luxus und der Moden”. Im neunzehnten Jahrhundert konnte man Mode in den Zeitschriften “Le Charivari”, “La Mode”, “Petit Courier des Dames” (Ein kleiner Kurier für Damen), “Le Moniteur de la Mode” (Modebeobachter) oder “Der Bazar” sehen. In Polen, “Magazyn Mód; Journal of Pleasant News”.
Ludwig Mosts realistische Kompositionen sind, wie die Werke seiner Zeitgenossen, eine wunderbare Ergänzung zu seinem journalistischen Wissen. Wichtig ist, dass sie zeigen, welche Kleidung wirklich getragen wurde, nicht welche Modelle vorgeschlagen wurden. Sie zeigen Formen, Farben, und die Anordnung von Falten, Biegungen und Texturen. Das deutet auf die Stoffe hin, aus denen die Kostüme genäht wurden – verschiedene Informationen, die in Journalillustrationen schwieriger zu finden sind. Darüber hinaus sind Gravuren in Bibliotheken verfügbar, sowohl im Original als auch als Reproduktionen in Katalogen oder anderen Büchern. Gemälde sind jedoch viel einfacher auffindbar, besonders wenn sie in Dauerausstellungen aufgehängt werden. Seit der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts sind Fotografien zu einem Wettbewerb für Gemälde geworden; aber auch Publikationen, die derartige Fotografien enthalten, sind nicht leicht zugänglich.
Hauskleidung

In der vorherigen Folge hatten wir uns bereits das Kleid einer jungen Mutter angesehen, das sie im Winter bei alltäglichen Aktivitäten zu Hause trug. Jetzt kommen wir wieder darauf zurück, um zu sehen, wie es “in der Natur” aussah, das heißt, in Farbe. Es war ein bescheidenes Kleid aus dickem Wollstoff in oliver Farbe, ohne Muster. Das Oberteil war gerade genäht, leicht faltig an der Taille angebracht und mit einem flachen Kragen am Hals versehen. Der Rock war reichlich gefaltet und bedeckte wahrscheinlich die Knöchel. Die Ärmel waren am Oberarm voluminös und verjüngten sich stark an den Unterarmen. Darüber hinaus waren folgende Ergänzungen obligatorisch: eine pastellrosa Schürze und eine enge, weiße mit Rüschen besetzte Canvas-Mütze, die das Oval des Gesichts und den rosa Teint der Mutter betonte.
Partner für den Tanz

Auf einer der Seiten des Skizzenbuchs, das Stettin gewidmet ist, machte Most genaue Studien über das Aussehen eines Kleiderärmels. Die obere Zeichnung zeigt die ganze Hand mit der Handfläche, die mit einem Handschuh bedeckt ist. Die Hand ist nach vorn gestreckt, als ob ihre Besitzerin sie jemandem geben würde, der zum Tanzen auffordert. Der Glanz des Stoffes, der in kleinen Falten angeordnet ist, lässt vermuten, dass es sich um den Ärmel eines eleganten Seidenkleides handelt. Der obere Teil hat die Form eines Puffs mit einer dekorativen Kordel, die zum unteren Teil des Ärmels führt, der aus einem separaten Stück Stoff genäht ist. Am Unterarm ist der Ärmel ziemlich schmal und gerüscht in eine noch schmalere Manschette eingenäht, die länglich und halbkreisförmig auf dem Handrücken endet. Die zweite Studie zeigt den oberen Teil des Ärmels, der aus einem Puff und einem schmaleren Abschnitt besteht, der den Arm über dem Ellbogen bedeckt.
Aber die Kraft!

Eine weitere Studie des Ärmels, die wenig später gezeichnet wurde, zeigt zwei Versionen eines anderen Schnitts. Die Anordnung der Falten des Stoffes, aus dem diese Ärmel genäht wurden, besagt, dass es sich um ein dickeres Material handelte, vielleicht um zartere Wolle. Beide Ärmel gehörten wohl zum Tageskleid, denn sie sehen recht bescheiden aus. Der obere Ärmel ist sehr weit und über die gesamte Länge reichlich faltig. Er reicht bis zur Mitte des Unterarms und endet mit einem schmalen Bündchen in Form eines Streifens. Die benachbarte Studie zeigt einen ganzen Ärmel mit angedeudeter Hand, die am Ellbogen gebogen ist. Unterschiedlich zur oberen Studie ist der Ärmel nicht übermäßig weit und endet in einem Bündchen mit einem Schlitz, so dass die Bewegung nicht eingeschränkt ist, wenn die Hand am Ellbogen gebeugt wird.
Stettiner Familie im Schoß der Natur

Das Porträt einer jungen Stettiner Familie zeigt sie an einem klaren Frühlingstag auf der Terrasse eines Cafés, umgeben von der Landschaft des Odertals. Die Mutter ist in ein langes, helles Kleid gekleidet, das aus dickem Stoff, vermutlich Wolle, genäht ist. Es ist also nicht zu warm draußen. Das enge Rückenteil dieses Kleides wurde unter dem Hals mit einem eher schmalen, leicht stehenden Kragen versehen. Der sehr weite und äußerst lange Rock ist an ihrer Taille gerafft. Der sichtbare Ärmel erinnert in seiner voluminösen Form an die obere Skizze aus dem Skizzenbuch VI, Karte 28. Der Hut der Dame mit der umlaufenden und weit vorstehenden Krempe ist ebenfalls in ähnlicher Form in verschiedenen Most-Studien und Bildern vorzufinden, es war der typische Schutenhut aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Spazieren Sie durch das Sommerresort

Das Gemälde aus dem Jahr 1840 zeigt eine Gruppe von Menschen, die in der Frühlingssaison einen Spaziergang durch das Alpenbad in Kreuth machen. Die frische Bergluft zwingt die Kurgäste eine geschmackvolle und warme Kleidung anzuziehen. Sie tragen lange Kleider aus dicken Stoffen, die ihren Körper dicht bedecken. Die ältere Dame hat ein schwarzes Kleid an, das einen violetten Glanz aufweist und lang bis zum Boden reicht. Außerdem trägt sie noch einen langen Mantel mit einem mit Fell besetzten Umhang. Auf dem Kopf trägt sie einen cremefarbenen Schutenhut und in der Hand einen Regenschirm in der Farbe ihres Kleides. Die Kleidung der jüngeren Dame ist kürzer und auffälliger. Sie zeigt die Knöchel und trägt die starke Farbe – rot. Ihr Kleid mit einem schlichten Blusenteil wird durch einen kurzen,weißen Kragen verziert und ist mit den üblichen , weiten Ärmeln versehen. Der Rock ist relativ breit, an der Taille gerafft. Auf ihrem Kopf hat die Dame einen leuchtend rosa Schutenhut mit einem kurzen, gerüschten Hinterkopfteil und einer breiten Krempe. In der Hand hält sie einen kirschfarbenen Regenschirm.
Spiegel – ein unverzichtbares Möbelstück

Die Dame, die sich wohl auf etwas vorbereitet, wurde von Most dargestellt, wie sie aufrecht vor dem Spiegel steht und zur Seite schaut, als wäre sie jemandem dankbar. Sie hält ihre Hände auf einem Konsolenschrank, auf dem Blumen in einer Vase stehen, die vielleicht von einem Verehrer geschickt wurden. Sie trägt in ein weißes Satinkleid. Die Konturskizze erlaubt es nicht, den Schnitt genauer zu erkennen. Das Kleid ist eng mit einem breiten Dekollete´ und hat kurze Ärmel. Der Rock ist enganliegend gezeichnet und betont die Figur. Das Haar der Dame ist glatt gekämmt mit einem Scheitel in der Mitte und wahrscheinlich mit einem Knoten auf dem Hinterkopf versehen. Der grüne Vorhang, vor dessen Hintergrund sie porträtiert steht, wird ihre Schönheit betonen.
Freundinen auf der Gartenbank

An einem Augustnachmittag verbringen zwei Freundinen oder Verwandte ihre Freizeit auf einer Gartenbank an der Wand eines Hauses und unter der Krone eines alten Baumes, der sie vor der Sommerhitze schützt. Ihre Kleidung ist ähnlich – lange Kleider, deren Röcke darauf hindeuten, dass darunter ein Reifen namens Krinoline verborgen ist. Die Kleider oberhalb der Taille verschwinden unter Schals, mit denen sich die Frauen vor kühler Luft bedeckt haben. Die Ärmel ihrer Kleider sind kurz und mit einer schmalen Rüsche vor dem Ellenbogen besetzt. Das Haar wurde glatt gekämmt und zu einem Hinterkopfknoten gerollt.
Nachmittagstee

Ein Porträt einer bürgerlichen Familie während einer Teestunde zu Hause ermöglichte es Most die Kostüme zu präsentieren, die bei solchen Treffen von verheirateten Frauen und Bediensteten getragen wurden. Eine Dame des Hauses, die am Tisch sitzt, trägt ein Kleid namens Krinoline,das mit Hilfe von Ringstäben dem Rock eine kegelartige Form verleiht. Das Mieder ist dicht anliegend, in der Taille sehr eng und dort am Ende spitz zulaufend gestaltet. Die Schultern wurden durch eine fächerförmige Anordnung diagonaler Falten betont. Das Mieder reicht bis zum Hals und endet mit einem flachen, breiten Kragen. Die engen Ärmel sind an den Oberarmen durch jeweils drei kreisförmig um den Arm verlaufende Ausbuchtungen verziert. Ein doppeltes Schleifenband, das mit einer Brosche befestigt ist,verläuft vom Hals bis zum Unterkörper. Das Kleid ist aus leichtem Satin in einem gebrochenen, lila Farbton. Das Kleid der jungen Frau am Fenster hat eine ähnliche Gesamtform und Farbe, unterscheidet sich jedoch erheblich in Details. Ihr Rock ist nicht so weit. Das Mieder hat einen großen Ausschnitt, das teilweise von einem Einsatz aus cremefarbenem Stoff bedeckt ist und das mit einer Rüsche anstelle eines Kragens versehen ist. Die Ärmel des Kleides bestehen aus drei Abschnitten. Unter den Schultern sind sie locker genäht, quer gerüscht und mit Knöpfen verziert. Im Ellenbogenbereich – sehr voluminös, und am Unterarm röhrenförmig eng und mit Rüschen anstelle von Manschetten endend. Die Frau am Teesamowar trägt ein dunkelgrünes Kleid mit langem, gerafften Rock ohne Krinolinenreifen. Sie bedeckt ihren Oberkörper mit einem schwarzen Spitzenschal. Um den Hals hat sie einen schmalen weißen Kragen. Die Ärmel ihres Kleides sind weit und rüschig. Alle Frauen haben Haare, die auf der Vorderseite glatt gekämmt und am Hinterkopf zu einem Knoten zusammengerollt sind.
Nachmittagstreffen im Handwerkerhaus

Auch Handwerksfamilien versuchten der Mode zu folgen, obwohl sie sich bescheidener kleideten und älteren Bräuchen folgten. Das Nachmittagstreffen in der Schuhmacherwerkstatt spricht darüber. Die um den Großvater versammelte Familie lauscht über Geschichten aus seiner Jugend, die von seinem Kriegskameraden erzählt werden. Neben ihm steht eine junge Mutter mit einem kleinen Kind im Arm. Sie trägt ein dunkellila Wollkleid. Sie hat eine Jacke über ihr Mieder gezogen, die mit lockeren, geraden Ärmeln und einem Kurzwarensaum an deren Enden versehen ist. Der üppige Rock der Frau ist mit einem leuchtend rosa Schürze bedeckt. Die Frau trägt eine Spitzenmütze, die in ihrer Form den zuvor erwähnten Schutenhüten ähnelt. Die Großmutter, die in der Tiefe, in der Küchennische arbeitet, hat ein einfaches Kleid mit kurzen Ärmeln und mit einem Mieder, das von einem Schal bedeckt ist. Auf ihren Kopf trägt sie eine weiße Kappe, die mit Rüschen besetzt ist.
Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most (Bremervörde), Günter Müller (Erfurt), Germany
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