Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most, Günter Müller, Bremervörde, Erfurt (Germany)
Wie sich herausstellt, ist Ludwig Most ein unermüdlicher Tourist und ein äußerst fleißiger Künstler. In dieser Folge von Dr. Ewa Gwiazdowskas Opo-News lesen wir von seiner Reise nach Böhmen im Spätsommer 1833. Neugierig beugte ich mich über seine Zeichnungen und Skizzen, aus denen der Künstler spätere Gemälde schuf. Wie viele interessante Informationen über die besuchten Orte, wie viele interessante Beobachtungen über den Künstler selbst! [J.G.]
Dr. Ewa Gwiazdowska Most “ein besonderer Tourist”
Böhmen Was Sie wissen sollten 5
EXPEDITION XXIV
Ruhe in der Mühle
Am Ende seines Aufenthalts in Dresden beschloss Most, Prag, heute die Hauptstadt der Tschechischen Republik, zu besuchen. Er reiste am 30. August 1833 ab. Die erste Etappe der Reise endete wahrscheinlich in Nollendorf, denn am selben Tag zeichnete Most einen Blick auf die Mühle, die neben einem schnellen Gebirgsbach stand. Ein schmaler Steg mit wackeligem Holzgeländer führte über den Bach zur Mühle. Da auf der Skizze kein Wasserrad vor dem Haus gezeichnet wurde, könnte es sich infolge einer oberhalb gelegene Ableitung des Baches hinter dem angedeuteten Anbau des Hauses oder als Horizontal-Wasserrad unter einem der beiden Häuser befunden haben. Es war eine Walkmühle, zu der die Tuchmacher ihre Wollstoffe brachten, um sie durch den Walkprozess (durch die Mühlentechnik angetriebene Holzhämmer schlagen auf in Wasserbecken mit geeigneter Heißwassersuspension abgelegte gewebte Tücher) so zu verdichten und zu verfilzen, dass der Stoff zur Herstellung einer wasserabweisenden Kleidung genutzt werden konnte. Vielleicht wurde Most gastfreundlich für eine Übernachtung in dieser Mühle empfangen?
Sanfte Grate des Erzgebirges
Mosts Weg führte durch das Erzgebirge. Am 31. August 1833 erreichte er die im Vorgebirge gelegene Stadt Graupen. Er dokumentierte diesen Aufenthalt, indem er die Silhouette eines Bergrückens skizzierte. Die Bergstadt war ein beliebtes Touristenziel. Die Bewohner erinnerten sogar an den Aufenthalt des bedeutenden Schriftstellers Johann Wolfgang von Goethe.
Festung auf dem Felsen
Most war sehr interessiert an der Gegend, durch die er wanderte. Als er durch die Stadt Grupen ging, besuchte er auch eine Wallfahrtskirche auf einem Hügel. Von dort aus bewunderte er den malerischen Blick auf die Riesenburg. Er notierte in seinem Skizzenbuch: Am frühen Morgen des 31. August [Ausflug] zum Burgberg, ein Blick auf schöne Ruinen. Die Burg war im Mittelalter Teil der Befestigungsanlagen, die den Handelsweg von Böhmen nach Sachsen schützten. Im späten Mittelalter gehörte sie dem Kaiser des Römischen Reiches Rudolf II. (1552–1612), einem leidenschaftlichen Sammler und Alchemisten. Most besuchte die Waffen- und Kunstsammlungen im Schloss.
Die erste Schulglocke
Am ersten September ging Most in eine Dorfschule, wo der Unterricht gerade erst begonnen hatte. Eine Gruppe von Kindern saß an einem Tisch vor der Lehrerin, die den Unterricht leitete. Eines der Kinder, ein neugieriger Junge, lehnte, anstatt zuzuhören, seinen Ellbogen gegen die Tischplatte und starrte den Zeichenkünstler an. Most skizzierte das gesamte Innere und fügte Erklärungen hinzu. Sie zeigen zum Beispiel, dass in der linken Ecke ein Ofen aus grünen Fliesen stand, die Wände des Klassenzimmers aus Ziegeln waren und das Fenster auf der rechten Seite des Raumes war, hinter dem Rücken der Lehrerin. Most zeichnete auch die Büste einer Lehrerin in Volkstracht.
Besuch des Gasthofes
Der Aufenthalt im Gasthaus war für Most schon immer inspirierend. Am dritten September 1833 ging er in eine Schenke in einem historischen Gebäude. Es war ein Saal mit einem gotischen Kreuzgewölbe, das von einer in der Mitte stehenden Säule getragen wurde. Most fertigte zwei Zeichnungen dieses Innenraums an, die das Aussehen und die Lage von architektonischen Elementen und Inneneinrichtungen dokumentieren. Er zeigte auch zwei Angestellte aus dem Personal der Schenke.
Schöner Aufenthalt in Prag
Most erreichte Prag am 4. September 1833 und machte sich sofort auf den Weg, um die Gemäldesammlung zu erkunden. Er besuchte eine Galerie namens Nostizsche Galerie. Seine Aufmerksamkeit erregten vor allem die Gemälde niederländischer Meister. Er hielt in seinem Skizzenbuch fest, dass er zwei Gemälde von Holbein sowie Werke von Rembrandt, Paul Potter, Jan van Steen, Molenaer, David Teniers und das Werk des Franzosen Nicolas Poussin gesehen hatte. Den Abend verbrachte er in der Oper. Er war allerdings nicht in dem zuvor dargestellten Nationaltheater, das erst 1883 eröffnet wurde, sondern mit hoher Wahrscheinlichkeit in dem damals schon bestehenden und für die Opernaufführungen bekannten Ständetheater in der Prager Altstadt. Am nächsten Tag besuchte er wiederum die Gemäldegalerie.
Burg auf dem Felsen bei Prag
Most verließ Prag am 6. September 1833 und ging zu Fuß durch Leitmeritz und Aussig an der Elbe. In der Nähe von Aussig sah er die Ruine der Burg, die während der Herrschaft von Ottokar II. Přemysl ihre ersten Festungsbauten erhielt. Diese Burg Schreckenstein (Hrad Strekov) begeisterte Most. Der prächtige Wehrbau wurde auf einem steilen Felsvorsprung errichtet. Den größten Eindruck machte der zylindrische Wehrturm, der das Ganze überragt. Das Schloss erfüllte seine Rolle, den Schutz des Schifffahrtsweges der Elbe, für eine lange Zeit. Im Spätmittelalter wurde die Burg erweitert, am Eingang der alten Burg wurden hohe, mit Strebepfeilern verstärkte Längsbauten errichtet. Most machte eine Studie eines umfangreichen Komplexes. Er zeichnete die Burg von einem rückseitig der Elbe und unter dem Burgberg gelegenem Standort, der in Dorfnähe lag. Dies wird durch den Kirchturm und die Dächer der Häuser angezeigt, die in der unteren linken Ecke der Komposition sichtbar sind.
Schutz in den Bergen
Ein interessantes Thema von Mosts Gemälde, das nur aus einer anonymen Kopie bekannt ist, ist das Innere einer Berghütte. Das Gemälde erschien 2014 im Antiquitätenhandel in Deutschland unter dem Titel Bauernstube. In der Mitte des Raumes wurde eine Gruppe von Gästen vorgestellt, die gerade angekommen waren – zwei Eltern mit ihrer Tochter in regionalen Kostümen. Der Vater in einem grauen Mantel stützt sich auf einen Stock, und im anderen Arm hält er einen Hut. Die Mutter in einem langen, grünen Kleid mit feinem Muster hält Handschuhe in einer Hand. Die Tochter hält die andere, rechte Hand ihrer Mutter und sagt schüchtern etwas zu ihr. Die Gäste wenden sich an die Menschen, die sich am Tisch unter dem Fenster aufhalten. Unter ihnen sitzt Most. Er hat ein Blatt Papier, Bleistifte, Pinsel und eine Schachtel Aquarellfarben vor sich. In einer Ecke der Stube trocknen auf einem grünen Keramikherd Socken und andere Kleidungsstücke, die wahrscheinlich nach Reiseende von ihren Besitzern gewaschen wurden. Das Zimmer ist mit landschaftstypischen Möbeln und Geräten ausgestattet. Zwischen den Fenstern hängt ein Bild mit einer Darstellung der Madonna mit Kind. Neben der Tür sind in einem Regal zwei Reihen von dekorativen Tellern zur Schau gestellt und darüber stehen noch Krüge und anderes Geschirr als weitere Zierelemente. Auch Tiere sind in dem Raum zu bewundern. Neue Gäste werden von einem Hund begrüßt; das ist sicherlich auch heute nichts Außergewöhnliches. Für Berghütten scheinen auch zwei Hühner mit ihren Kücken nicht ungewöhnlich zu sein; das wird wohl heutzutage kaum noch zu sehen sein.
Drehhaspel
Auf der rechten Seite des Gemäldes sind zwei Haspelarbeiter abgebildet. Der Ältere steht im Hintergrund an einem Tisch, an dem sich Spindeln mit dem gesponnenen Wollgarn befinden. Der Jüngere stellt mit der achtarmigen Drehhaspel die Stränge her. Die Wand, unter der er sitzt, ist auch ein interessantes Dokument der lokalen Kultur. Eine Uhr mit Gewichten hängt an ihr. Etwas höher wurde noch ein Regal mit wertvollen Porzellantellern und Krügen befestigt. In der Aussparung kann man den Teil eines Porträts sehen, das vom Rest infolge des Bildendes abgeschnitten ist. Auf den Kleiderschränken, die an der Wand stehen, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Dinge, wie Kopfbedeckungen, Körbe, Papierblätter, auf denen sich ein Tintenfass mit Schreibfeder befindet und etliche Sachen mehr. Über der Eingangstür sieht man ein holländisches Bild, das eine Landschaft darstellt. Könnte es sein, dass ein solches Bild eine Berghütte erreicht hat?
Das Bild der Schlesischen Berghütte steht in keinem Zusammenhang mit der Pragreise von Ludwig Most. Man kann es nur im Kontext mit seiner Schlesienreise im Jahr 1835 betrachten, die Most bis in das Riesengebirge führte und in deren Ergebnis auch die Erschaffung des Bildes nach 1835 entstanden ist. Aus diesem Grunde sind zum gleichen Bild weitreichendere Erklärungen und Aussagen in dem Expeditionsbericht XXXVII zu finden, da dort die Schlesien- und Riesengebirgsreise der spezielle Inhalt war.
Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most, Günter Müller, Bremervörde, Erfurt (Germany)
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