Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most, Günter Müller, Bremervörde, Erfurt (Germany)
Die neuesten Nachrichten von Dr. Ewa Gwiazdowska kommen einer Sensation gleich! Das Kopieren der Werke anderer Schöpfer hilft uns Verlorenes wieder zu finden! Vive le copiste Theodor Gerhard! Dank seiner Kopie eines bestimmten Bildes löste Dr. Ewa Gwiazdowska ein weiteres Rätsel um August Ludwig Most. Wer war Gerhard? Warum hat er gerade das Bild unseres Malers kopiert? Welchen Wert haben Künstlerskizzenbücher und wie können ihre Inhalte genutzt werden? Und schließlich die wichtigste Frage: Worum geht es? Auf all diese Fragen finden Sie die Antwort in dieser Episode! Dr. Ewa Starowska beweist einmal mehr, dass sie eine herausragende Kennerin von Most’s Arbeit ist. Herzlichen Glückwunsch zur nächsten Entdeckung! [J.G.]
Dr. Ewa Gwiazdowska Mostbild aus fremder Hand
EXPEDITION XXXIV
Vor vielen Jahren, als ich Ludwig Most Skizzenbücher intensiv betrachtete, ließen mehrere Zeichnungen aus dem November 1830 mir eine Verbindung mit einem unbekannten Gemälde der Wirtsstube erahnen. Der Enkel des Künstlers, Peter Paul Most, gab an, dass diese Komposition im Jahr 1830 entstand. Er fügte in einer Katalognote hinzu, dass das Gemälde vom Hofkavalier Gerhard gekauft wurde. Außerdem zitierte er auch Informationen aus dem vierten Band des Lexikons von Georg Kaspar Nagler “Die Monogramisten” aus dem Jahr 1879 über das Aussehen der Signatur, die Most verwendete, und über die Teilnahme des Gemäldes an der Ausstellung der Akademie der Künste in Berlin im Jahr 1832.
Das Rätsel um dieses Werk ist jetzt gelöst. Hofkavalier Gerhard’s Person erwies sich als der Schlüssel zur Lösung. Sein Gemälde mit dem Titel “Scene in the Inn” wurde im Mai 2020 in Warschau versteigert. Auf dem Bild neben Gerhard’s Signatur mit der Abkürzung: cop. (kopiert) war Ludwig Most’s umgekehrte Signatur zu sehen getrennt durch das Datum: 1831. Es stellte sich heraus, dass der Enkel des Malers das Entstehungsdatum des Gemäldes verwechselt hatte. Möglicherweise wusste der Maler Most selbst, dass sein Fachkollege Gerhard das gekaufte Gemälde kopiert hatte?
Ein Symbol löst ein Rätsel
Als ich den Auktionskatalog des Sopotischen Auktionshauses von der Warschauer Auktion am 20. Mai 2020 unerwartet auf Seite 14 durchstöberte, stieß ich auf ein Gemälde, das von einem Vermerk begleitet wurde: T. Gerhard, Szene im Gasthaus, 1831. Die Beschreibung der Signatur ist wie folgt angegeben: cop. L / auf dem Fass Datum 1831, in der Hälfte durch monogrammiertes MJS getrennt. Ich dachte sofort an Ludwig Most’s Bleistiftzeichnungen aus den Skizzenbüchern Nr. II und III aus den 1830er Jahren. Diese als MJS definierte Signatur ist nichts anderes als ein Most-LM-Monogramm, das in einer Spiegelumkehr dargestellt wird und eine typische Aufzeichnung des durch dieses Monogramm getrennten Datums: 18 LM 31. Darunter wurde ein Pfeil mit einer S-förmigen Ranke mit Pflanzenblättern hinzugefügt. Das ist die erweiterte Signatur von Most im Nagler-Lexikon.
Glücklicherweise wurde das Gemälde nicht versteigert und dank der Zusammenarbeit mit dem Antiquariat des Herrn Marek Wylupek fand es sich nach hundertneunzig Jahren wieder in Stettin ein.
Ein vergessener Stettiner Künstler
Der Maler des Bildes – kopiert nach Most’s Original – war der Maler Theodor Gerhard, der ein Angestellter am Stettiner Hof von Elisabeth von Braunschweig, der getrennten Frau von König Friedrich Wilhelm II., war. Am unteren Platz des Bildes platzierte der Kopist seine Bildunterschrift, die derzeit schlecht lesbar ist: T. Gerhard cop. L (…) Der Rest der Aufzeichnung ist unleserlich und hätte lauten können: Most. Durch Gerhards Arbeit lernen wir ein weiteres unbekanntes Werk von Most kennen. Die Kopie ist werkstattlich gut gearbeitet. Gerhard , heute wenig bekannt und selten auf dem Kunstmarkt zu sehen, malte Landschaften und Architektur. Er suchte sein Themen nicht nur in Pommern, sondern auch in Italien, den Niederlanden, Frankreich, Deutschland und Schottland. Von 1835 bis 1847 stellte er Gemälde in Stettin und Berlin aus. 1847 zog er nach München. Durch die Erkenntnisse über das Wirthausbild wissen wir bereits, dass er sich bereits vorher mit der Malkunst beschäftigt hat.
Wir treffen uns wieder im Gasthaus
Das Bild ist eine typische Komposition für die Arbeiten von Ludwig Most. Es zeigt das ziemlich dunkle Innere eines Gasthauses mit einer Balkendecke und einer gewöhnlichen Wirtshausszenerie . Die Wirtsstube wird beleuchtet durch ein auf der linken Seite befindliches, jedoch nicht sichtbares Fenster oder auch durch eine dort vorhandene offeneTür. Eine emotionale Szene ist durch diesen Lichtschein im Vordegrund erkennbar. Nach dem Essen sammelt der Kellner das Geschirr und betrachtet das Geschehen zwischen dem Kunden, einem jungen Mann mit auffälligen Hut, und der Kellnerin. Sie legt einen Teil der Tischdecke zur Seite und berechnet mit Kreide auf dem Tisch die Höhe der Rechnung. Der junge Mann starrt die Kellnerin an, als wolle er sie mit seinem Blick bezaubern oder auch irritieren. Ein Pfeifenkollege, der gegenüber sitzt, schaut kritisch zu. Die Gäste in der Tiefe, am anderen Ende der Halle, achten auch auf das Treiben. Für die Kinder sind diese Geschehnisse nicht von Interesse, sie scheinen nur Spaß am Spiel zu haben.
Die Hauptfigur der Gasthausszene
In der Skizze unterscheidet sich der Mann, der einen Geldbeutel in der Hand hält und darauf wartet, die Höhe der Rechnung bestimmt zu bekommen, in einigen Details von denen auf dem Bild. Es gibt keine Gesichtsbehaarung mit Koteletten, die bis zum Unterkiefer reichen. Auf dem Kopf trägt er statt eines weichen breitkrempigen Hutes einen Zylinder mit einem schmalen, leicht gebogenen Hutrand, der typisch für Pommern ist. Unter seinem Hals fehlt ihm ein gebundener Schal. Außerdem ist in der Abbildung hinter dem Tischbein und über der Arbeitsplatte eine Umrisszeichnung des Kellners zu sehen, der auf dem Bild detailliert dargestellt ist. Stuhl und Tisch sind auf der Skizze einfacher gestaltet. Das Datum der Zeichnung zeigt, dass sie in Pommern entstanden ist, nachdem Most sein Studium in Berlin abgeschlossen hat.
Skeptischer Zuschauer am Abendbrotstisch
Diese Zeichnung entstand am nächsten Tag. Most machte eine Charakterstudie eines jungen Mannes, vielleicht seines Kollegen, der seitlich vom Tisch auf einem Zydel-Stuhl (harter Holzstuhl mit trapezförmigen, vorn leicht gerundeten Sitz und vier seitlich geneigten Beinen) sitzt. Der Zeichner präsentiert hervorragend den gedrehten Körper des Mannes, der sich dem Tisch zuwendet. Diese Darstellung kommt der im Bilde vorgenommenen sehr nahe. Es unterscheidet sich nur durch Gesichtszüge und eine kleine Änderung in der Form der Kappe.
Wir sehen uns einen Künstlerworkshop an
Eine undatierte Zeichnung, die sich zwischen den diskutierten Zeichnungen befand, zeigt, wie Most nach einem Weg suchte, den Kellner, der sich nach dem Essen mit dem Sammeln von Geschirr beschäftigt, am besten darzustellen. In der Skizze lehnt sich der Mann wie im Bild nach vorn und hält in der gebeugten rechten Hand ein Tuch, mit der er eine Arbeitsplatte abwischen will. Die linke Hand liegt auf dem Tisch auf, anstatt Teller darin zu halten. Daneben zeichnete Most nur einen Teil dieser Figur, die mit der rechten Hand auf den Tisch lehnend oben nur einen Kopfumriss mit einer Wintermütze zeigt. Im endgültigen Bild wurden diese Varianten abgelehnt. Aber nicht ganz. Am hinteren Tisch der Wirtsstube steht ein älterer Mann, der die entsprechende Wintermütze trägt. Die gebeugte rechte Hand ist mit einer leicht veränderten Geste bei dem Kellner im Bild auch wieder zu finden.
Kinderspiele
Most versuchte Kinder in verschiedene Szenen aus dem Alltag in seine Bilder einzubeziehen. Diesmal zeigte er zwei kleine Kinder, die sich mit älteren Männern an einem hinteren Tisch vor dem Ofen aufhalten. In der Skizze giebt er die Posen und Bewegungen der Kinder, die fleißig verfolgen, was vor ihnen geschieht, großartig wieder. Realistisch stellt er die Fersen des Jungen nach, bei denen große Löcher in den Socken leuchteten. Der Junge nimmt scheinbar seine zerrissenen Socken überhaupt nicht wahr. Er zog seine hohen Stiefel aus, um bequem auf seinem Stuhl zu knien. Dazu zeigt Most ein kleines Mädchen, das auf ihren Zehen steht, um besser zu sehen, und sich mit gebeugten Armen an der Tischkante festhält , um nicht zu fallen. Im gemalten Bild ist die Skizzenzeichnung beinah vollständig wiederzufinden; nur die Oberarme des Mädchens sind jetzt nicht mehr nach hinten geneigt,sondern gerade nach unten fallend.
Student im patriotischen Kittel
Die letzte der erhaltenen Zeichnungen für die Bild -Scene in der Wirtsstube bezeugt, dass Most ein Skizzenbuch bei sich trug und es austauschbar anwendete. Im Skizzenbuch Nr. 3 präsentierte er die Figur eines feurigen Studenten, vielleicht auch eines Malers, der in einer energiestrahlenden Pose auf weit gespreizten Beinen steht. Er stopft seine lange Pfeife, die auf dem Tisch abgelegt ist. Gleichzeitig richtet er mit neugieriger und selbstbewusster Mine seinen Blick zur Seite, wo sich die Szene abspielt, in der die Rechnung bezahlt wird. Er trägt ein knielanges Kleid mit auffallendem Kragen und locker genähten Ärmeln. Auf dem Bild hat dieser Mann einen ganz anderen Blick. Er scheint voller Ungewissheit zu sein, aber auch bedenklich über das Geschehen, was sich vor seinen Augen abspielt.
Einflüsse des niederländischen Realismus
Most, wie auch die Niederländer des 17. Jahrhunderts, zeigten gern Innenräume, deren Möbel und andere dort befindlichen Gegenstände. So wie Most die Wirtsstube des Gasthauses malte, gab er die Identität des Ortes gut wieder, aber auch das Chaos, das dort herrschte. In der Stube, die wir in der Kopie von Gerhard auf ihrer linken Seite betrachten, befindet sich eine hohe Kommode, die die Lichtquelle einschränkt. Dort schleicht auch eine Katze. An der rückwertigen Wand zeigt der Maler ein hoch hängendes Regal mit Gegenständen unterschiedlichster Art. Unter dem Regal befindet sich eine Holzleiste mit Pflöcken, an der die Gäste ihre Oberbekleidung aufhängen.
Ist es Most’s Selbstporträt?
Die zweite faszinierende Situation spielt sich auf der rechten Seite des Raumes ab. An einem Tisch in Begleitung von zwei neugierigen Kindern sitzt ein junger Mann mit Mütze und Oberlippenbart. Er starrt intensiv auf die gegenüberliegende Wirtshausseite und zeichnet sie in seinem kleinen Skizzenbuch. Hinter seinem Rücken sammeln sich die Attribute des wandernden Malers. Auf einem Wandbord mit Pflöcken, die für die Kleideraufhängung gedacht sind, steht ein grauer Buchbinder-Ordner mit Skizzen eines größeren Formats. Nebenan hängen eine Reisetasche, eine Flasche und ein Mantel. Auf der Bank liegt eine typische Tasche, in der Künstler Utensilien mit sich trugen. Es gibt zudem verschiedene andere Gegenstände, durch den dieser Ort intensiver dargestellt wird. Socken und ein Kopftuch trocknen in der Ecke auf dem Herd. Über dem Maler hängt eine Wanduhr mit Pendel und Gewichten. Auf der anderen Seite des Ofens steht ein Bett und ein Nachttisch. Davor ist auf dem Hocker eine noch nicht aufgeräumte Schüssel mit Handtuch und Besen zu sehen. Dies sind die Spuren der Übernachtung, die der Gast im Gasthaus erhalten hat. Im Vordergrund stellte der Maler sein “Logo” auf mit einer Reihe von Objekten, die eine kleine “tote Natur” im niederländischen Malsinn bilden. Diesmal ist es ein Stillleben bestehend aus einem Holzfass, einem umgedrehten Hut, einem Stoffbündel und einem hohen, geflochtenen Korb, der über der Schulter zu tragen ist.
Mit dieser dargestellten Hintergrundszene in der Wirtsstube wissen wir jetzt, dass eines jener Gemälde von Ludwig Most vorliegt, wo er sich selbst im Bild zeigt, um die ersten Skizzen für eine zukünftige Bildgestaltung anzufertigen. Übrigens befindet sich der bereits erwähnte Buchbinderordner, den er in der zuvor beschriebenen Bildszene auf die Pflöcke des Wandbordes gelegt hat, seit ein paar Jahren im Nationalmuseum von Stettin.
Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most, Günter Müller, Bremervörde, Erfurt (Germany)
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