Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most (Bremervörde), Günter Müller (Erfurt), Germany
Als Ludwig Most, der Pinsel- und Bleistiftmeister, im Sommer 1863 durch Pommern wanderte, gab es im Königreich Polen und Litauen (im Gebiet der russischen Teilung und der weggenommenen Länder) den nationalen Aufstand, der als Januaraufstand bekannt geworden ist. Es sei daran erinnert, dass dies der größte und der am längsten andauernde nationale Aufstand in Polen war, der auch als Partisanenkrieg geführt wurde (er endete im Herbst 1864) und in dem mehr als 1.000 Schlachten ausgetragen wurden. C’est la vie, während einige ums Überleben kämpfen, gönnen sich andere die Freuden, die Schönheit der Welt zu erleben. Dieses Glück hatte unser Maler, denn sein Besuch in Kartlow war auch eine Voraussetzung, um zwei außergewöhnliche Bilder zu schaffen, über die Dr. Ewa Starowska in ihren nachfolgenden Nachrichten interessante Details bekannt gibt. [J.G.]
Dr. Eva Gwiazdowska Auf dem Weg zu Most
Expedition LIX
Besuch im Gut Kartlow
Im Juli des Jahres1863 ging Ludwig Most in das Dorf Kartlow westlich der Oder im Kreis Demmin in Vorpommern. Dort war er zu Besuch in einem Schloss mit Parkanlage, einem Gut und einem kleinen Dorf eingeladen, das von 1274 bis 1945 der Familie von Heyden gehörte. Die Geschichte des Wiederaufbaues des Schlosses im Geiste einer neuen Frömmigkeit im 19. Jahrhundert ist einer interessanten Studie von Pastor Reinhard Kuhl in dem Artikel unter dem Titel “Zwischen Märchenschloss und Dorfkirche. Kartlow als Gesamtkunstwerk romantisch-protestantischer Frömmigkeit in der Mitte des 19. Jahrhunderts” in der Pommern – Zeitschrift für Kultur und Geschichte, Jahrgang 47, 2/2009, S. 16-25 zu entnehmen. Wer Deutsch spricht, findet in dieser reich illustrierten Studie viele spannende Neuigkeiten über Kartlow. Sie können diesen Bericht auch in der Bibliothek des Nationalmuseums Stettin in Staromlynska der Straße Altstadt 27 lesen. Most interessierte sich nicht nur für das Schloss, das in den 1850er Jahren von Woldemar von Heyden im neugotischen Stil umgebaut wurde. Ihm gefiel die gesamte Anlage, die im gleichen Stil errichtet war, unter anderem auch die Jägerwohnung und die Kirche. Und nach einigen Jahren führte der Besuch zu einem neuen Gemälde – einer Komposition, die in der Arbeit des Stettiner Malers bemerkenswert ist.
Most bewundert das Schloss aus der Ferne
Ludwig Most begann seinen Sommerbesuch in Kartlow, indem er durch den romantischen Garten schlenderte. Als er den großen Teich erreichte, erschien in der Lücke zwischen den Bäumen vor seinen Augen ein Märchenschloss. Erbaut im neugotischen Stil, war es mit mehreren Türmen und mit Turmhelmen bestückt. Es erinnerte an die großen Zeiten des Mittelalters, als Ritter an unzugänglichen Orten ihre Verteidigungsschlösser errichteten. Im 19. Jahrhundert herrschte Mode für alles, was mit dem Mittelalter in Verbindung gebracht wurde. Diese längst vergangene Ära wurde als Quelle aller Tugenden und Kräfte angesehen. Es wurde versucht, sich in der architektonischen Kunst, in der Bilhauerei und in der Handwerkskunst darauf zu beziehen und auch mittelalterliche Frömmigkeit zu praktizieren.
Das Schloss in einer neuen Perspektive
Am nächsten Tag machte Most einen weiteren Spaziergang durch den Park. Er wollte das Schloss in einer romantischeren Umgebung präsentieren. Er fand einen solchen Platz auch hinter dem Teich an einer Stelle, wo das Gebäude in einem schmaleren Raum sichtbar war. Die Ansicht wurde durch kulissenförmig angeordnete Bäume ermöglicht. Dieser Stil kam aus England in die kontinentalen Gärten. Der Künstler notierte sich auf der Skizze Informationen über die Bäume. Auf der linken Seite standen drei Pappeln und auf der rechten Seite eine Pappel und zwei schlanke Birken. In der linken Ecke notierte Most das Vorhandensein einer Bank. Diese Informationen passen hervorragend zu seiner Skizze vom Vortag. Dank ihrer wissen wir, dass Most am 11. Juli das Schloss zeichnete, als er auf dieser Bank saß.
Schloss Kartlow von vorn
Ludwig Most hinterließ keine Zeichnung, die das Schloss von der Vorderseite zeigt. Doch dank Pastor Reinhard Kuhl kennen wir diesen Anblick. Es wird im Pfarrarchiv in Kartlow aufbewahrt. Theodor Schmidts Arbeit sieht aus wie eine Dokumentarzeichnung, die auf einer Designstudie basiert. In der Bildunterschrift enthält es Informationen über den Auftraggeber des Gebäudes und sagt, wann der Eigentümer in das neu renovierte Gebäude eingezogen ist. Es war der 15. November 1856. So wurde das Schloss damals nicht nur renoviert, sondern auch mit Möbeln und Geräten ausgestattet, die für den Betrieb notwendig waren, wie Heizung, Beleuchtung oder Küchenausstattung, ganz zu schweigen von der Dekoration der Wände mit Kunstwerken.
Most dokumentiert Parkanlagen
Eine weitere Most – Zeichnung des Parks zeigte die Teichstelle, wo ein kleiner Landesteg und ein Ort zum Entspannen eingerichtet war. Er erläuterte genau diese Stelle und den Bereich des Parks, der das schmale Ende des Teiches umgibt mit Lage und Aussehen der Bäume und Sträucher. Er beschrieb, wo sich die Rasenflächen befinden und wie die Wege verlaufen. Er gab sogar den Abstand zwischen den Bäumen und dem Wasser des Teiches an. Solche detaillierten Erläuterungen lassen erahnen, dass der Künstler plante, ein Bild auf der Grundlage der Zeichnung zu malen, die er vor Ort machte. Auf der rechten Skizzenseite sind auch Beschreibungen für eine Innenstudie zu sehen, die Most auf einer weiteren Seite des Skizzenbuchs zeichnete.
Most betritt das Schloss
Most hat wahrscheinlich viele der Schlossräume besichtigt. Er erinnerte jedoch nur an das Wichtigste, auf das der Besitzer besonders stolz war. Der stattliche Saal war den Reformern der Kirche und den Herrschern von Sachsen gewidmet – den wichtigsten Beschützern der Reformation. Die Kammer ist eingerichtet und in einem Stil ausgestattet, der gotische Kunst und Renaissance-Kunst kombiniert. Diese Zeiten galten mithin als die großartigsten Zeiten in der deutschen Geschichte. Der Innenraum wurde durch eine Reihe von schlanken Säulen geteilt, die die Arkaden unterstützen. Die Halle hatte ein Sterngewölbe mit schmückenden Elementen an den Rippenschnittpunkten. Für den Fußboden wurde eine getäfelte Ausführung vermerkt. Die Verkleidung schmückte das neugotische Motiv der Stechpalme. Über den geschnitzten zweiflügeligen Türen wurden rechteckige, profilierte skulpturale Kompositionen platziert, die von Kränzen umgeben waren. Über dem Eingang auf der rechten Seite stand beispielsweise der Kopf des Humanisten Ulrich von Hutten (1488-1523). Die Wände waren mit Porträtfresken geschmückt: die Humanisten Johannes Reuchlin (1455-1522) und Philip Melanchton (1497-1560), der Theologe Martin Luther (1483-1546), der Theologe Johannes Bugenhagen (1485-1558), Moritz von Sachsen (1521-1553; Kurfürst Sachsens von 1547 bis 1553) und Friedrich von Sachsen (1463-1525; Kurfürst Sachsens von 1486 bis 1525). Der Raum war mit einem Tisch, einer Kommode, einer Konsole, einer Bank und Stühlen im Neorenaissance-Stil eingerichtet. Es sei darauf hingewiesen, dass im Inneren des Schlosses Gemälde historischer Maler aus dem 19. Jahrhundert gesammelt wurden.
Most besucht Jägerwohnung
An einem der Aufenthaltstage in Kartlow besuchte Most den Schlossjäger. Das Treffen wurde zu einer Gelegenheit, einen treuen Diener der Herren von Kartlow zu porträtieren, sowie die einfache Ausstattung seiner Wohnung darzustellen (Pastor Kuhl schreibt darüber). Der Künstler hielt einen Jäger fest, der unter einem Arkadenfenster in einer tiefen Nische sitzt. Ein älterer Mann hält eine Pfeife mit langem Stiel in der Hand. Den Ellenbogen stützt er auf den Deckel der Truhe, die seine Garderobe ersetzt, wie es in den früheren Jahrhunderten üblich war. Die Truhe diente als handliches Möbelstück zur Aufbewahrung von Oberbekleidung und den Spiegel darüber konnte man für die Vorbereitung zum Ausgang benutzen. Daneben steht ein einfacher Kachelofen. An der Wand nebenan befindet sich ein mit einer Überdecke belegtes Bett, ein Kabinettsschrank und ein bescheidener Stuhl. Der Jäger hängte Jagdtaschen und Schrotflinten sowie ein Pfeifenregal an die Wände. Über dem Bett hängte er den Schädel eines Rehs. Es herrscht eine Atmosphäre der Ruhe und Ordnung im Raum.
Most malt religiöses Bild
Most’s Besuch in Kartlow führte nach einigen Jahren dazu, dass Woldemar von Heyden ein Altargemälde für die Schlosskirche in Auftrag gab, das der Kirche ein neues Bild geben sollte. Es sollte eine Rückkehr zur mittelalterlichen Hingabe widerspiegeln. Der Maler stellte Jesus versunken in ein Gebet im Olivengarten Gethsemane dar. Dieser Garten befand sich im Kidrontal am Fuße des Ölbergs von Jerusalem. Der aus dem Hebräischen abgeleitete Namen Gethsemane ist vermutlich entstanden, weil dort auch der Standort für eine Olivenpresse war. Most zeigte Christus in einer außergewöhnlichen mystischen Aura, in einem roten Kleid, das gleichzeitig das zukünftige Martyriumsblut und die Handlung symbolisierte, die zur Errettung führte. Der Sohn Gottes, der im Gebet versunken ist, richtet seine Augen in den Himmel, von wo aus ein Lichtstrahl auf ihn zuströmt, das die umliegende Dunkelheit erhellt. Das ausdrucksstarke Bild war Most’s erste, bekannte, religiöse Komposition.
Neuer Auftrag für religiöses Werk
Most malte ein weiteres Altarbild. Es war ein Werk, das für die Kirche in Groß Schönfeld (heute Obryta) bei Pyritz angefertigt wurde; das war eine Kirche in der Heimat der Most-Familie. Die Existenz dieses Gemäldes war dank des von seinem Enkel Peter Paul Most erstellten Kataloges der Werke des Künstlers bekannt. Es war jedoch nicht klar, wie es aussah oder in welcher Reihenfolge es erstellt wurde. Der Enkel vermutete, dass es sich um eine Vorarbeit für das Werk in Kartlow handelte. Er konnte es jedoch nicht überprüfen. Und dann, als Folge des Zweiten Weltkriegs, wurde die Kirche in Groß Schönfeld (Obryta) zerstört. Erst als das Nationalmuseum Stettin das Portfolio der Studien von Most erhielt, konnte das Rätsel gelöst werden. Das im Portfolio gespeicherte Studienbild ist eine andere Komposition, als die, die man in Kartlow bewundern kann. Es zeigt Christus in einem leuchtenden Heiligenschein und erhellt die Dunkelheit, in der die Welt eingetaucht ist. Jesus in diesem Bild befindet sich bereits in einer anderen Phase der Passion. Er ist zum ewigen Leben auferstanden. Und die Jünger, die ihn begleiten, schlafen immer noch, wie diejenigen, die zugelassen haben, dass ihr Meister gefangen genommen wurde. Beide Kompositionen teilen eine wichtige Ähnlichkeit. Auf jedem der Bilder umgibt Jesus ein oberirdisches Licht.
Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most (Bremervörde), Günter Müller (Erfurt), Germany
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