Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most (Bremervörde), Günter Müller (Erfurt), Germany
Ich dachte, ich kenne meine Muttersprache gut. Nichts dergleichen, und das alles dank einer faszinierenden neuen Folge der Opo-Geschichte von Dr. Ewa Gwiazdowska. Diesmal lernen wir die Hafenstadt Szczecin, die Wasserstadt, kennen und beobachten sie. Wie viel war zu Ludwig Mosts Zeiten an der Oder los! Der Künstler skizzierte akribisch verschiedene Bootstypen, Segelschiffe und die ersten Dampfer, die zum Beispiel Touristen von Stettin nach Swinemünde beförderten, mit der Genauigkeit eines dokumentarischen Zeichners! Die Stadt kehrt hier zurück ans Wasser, an die Oder. Und das ist auch gut so, denn so haben die Bewohner schöne Spazierwege, und das Leben auf dem Wasser und am Wasser beginnt wieder zu pulsieren wie zu Zeiten des einsichtigen Künstlers Most. [J.G.]
Dr. Ewa Gwiazdowska Heimatstadt – Hafenstadt
Expedition LXIX
Ludwig Most wurde 1807 in Stettin geboren, als die Stadt noch in unmittelbarer Nähe des Hafens lag. Die eigentliche Stadt war ein von mittelalterlichen Mauern und modernen Befestigungsanlagen begrenztes Gebiet. Die Insel Lastadie [Łasztownia] war von Natur aus ein wichtiger Teil des Hafens. Die Vorstädte entwickelten sich hauptsächlich entlang der Oder. Von jedem Ort in Stettin aus war es also nicht weit zum Hafen, der durch die Lange Brücke in einen See- und einen Flusshafen unterteilt war. Die Stadt und der Hafen waren untrennbar miteinander verbunden. Selbst an Festtagen schlenderten die Einwohner gerne über den Kai und die Brücken, beobachteten den Verkehr im Hafen und machten Fahrten auf der Oder. Kein Wunder also, dass Ludwig Most ein großes Interesse an maritimen Motiven hatte. Seine Zeichnungen sind heute eine interessante Quelle für das Wissen über die in den Stettiner Hafen einlaufenden Schiffstypen.
Frühlingsidylle
Unter den frühen Skizzen von Ludwig Most sticht eine Zeichnung hervor, die das Odertal von der nördlichen Vorstadt aus zeigt. Most hat sie sehr sorgfältig mit Feder in Tinte ausgeführt. Von einem hohen Ufer oberhalb der Gebäude der Unteren Wieck aus beobachtete er die Schiffe auf zwei Flussarmen, die durch die längliche Insel Bleichholm [Grodzka], auf der auch Kühe weideten, getrennt waren. Das an der Oder, am Holzkai der Insel, vertäute Schiff hatte einen vorderen Mast (Fockmast) mit Gaffeltakelung und einen hinteren Mast (Besanmast) mit Bermudatakelung und zusätzlich einen Bugspriet zum Setzen von Segeln, genannt Stagsegel. Auf dem dänischen Kai der zweiten Insel (der heutigen Lastadie) hat der Künstler mehrere Zweimastschiffe abgebildet. Jede von ihnen hat eine andere Art von Takelage. Zwei Schiffsrümpfe sind zum Ufer geneigt. Wahrscheinlich werden die Schiffe gerade gereinigt und repariert. Und in der Mitte der Strömung liegt ein kleines Boot. An der einzigen Rahe am Hauptmast hängt ein längliches, rechteckiges Segel; der Bugspriet ist segellos.
Eine neue Attraktion – ein Dampfschiff
In einem Skizzenbuch aus den 1830er Jahren notierte Most eine Zeichnung von mehreren Schiffen, die nördlich der Stadt im Strom der Oder standen. In der Nahaufnahme kann man inmitten eines Gewirrs von Masten und Takelage ein windgetriebenes Schiff mit gemischtem Antrieb erkennen, das vom Heck aus zu sehen ist. Zuerst ist das seitliche Schaufelrad zu sehen, dann die Umrisse des Schornsteins, der sich in der Mitte des Rumpfes zwischen den beiden Hauptmasten erhebt – dem Großmast und dem Besanmast mit Gaffel. Neben dem Heck des Schiffes steht ein Boot, das mit einem Großmast und einem Bugspriet ausgestattet ist. In der Ferne ragt ein Zweimastkreuzer zwischen anderen Schiffen hervor.
Die Schönheit eines Bootes unter Segeln
In seinem Skizzenbuch Nr. XII notierte Most während seiner Spaziergänge oder Wanderungen im Spätsommer 1842 zahlreiche maritime Motive. Schon das erste von ihnen macht auf die Genauigkeit der Ausführung aufmerksam. Most betrachtete die imposante Form eines Bootes, das auf dem breiten Strom der Oder in Richtung Stadt fuhr. Von unten, vom Heck aus gesehen, wirkt das Boot riesig, obwohl es nur zwei Masten hat: einen Großmast mit Gaffeltakelung und einen Bugspriet mit Fock. Most zeigte genau die vier Blöcke, durch die das Seil, das die Gaffel (den beweglichen oberen Holm) mit dem oberen Teil des Großmastes verbindet, gezogen wurde.
Atemberaubendes Panorama der Oder
Vielleicht ist Most selbst auch mit dem Boot nach Stettin gefahren? In einer weiteren Zeichnung zu maritimen Themen, die am 6. August 1842 entstand, zeigte er eine weite Perspektive der Oder in der Nähe der Stadt. Er zeichnete diese Skizze von einem Holzsteg aus, der dem Fluss zugewandt war. Die Oder erscheint an dieser Stelle ungewöhnlich breit. Auf seinen Gewässern verkehren zahlreiche Schiffe unterschiedlichster Art. Eine Reihe von festgemachten Booten ist in Nahaufnahme zu sehen. An einem von ihnen steht eine Frau, die sich mit jemandem auf einem Boot unterhält, das sich auf die Ausfahrt zum Fischen vorbereitet. In der Ferne sieht man die hohen Masten von Kreuzfahrtschiffen und einen Dampfer, der den Hafen verlässt. Auf der Karte daneben befand sich eine Skizze, die rechtwinklig zur vorhergehenden platziert ist. Wie Sie sehen können, ist das betreffende Boot bereits ins Wasser gegangen. Eine Frau hat es geentert. Sie segelt nun mit ihrem Mann in die unbestimmte Ferne.
Schiffs-Portrait-Skizzen
Nicht nur die Menschen gaben Porträts in Auftrag, um sich selbst zu verewigen. Auch Schiffe hatten ihre eigenen Porträts. Das Porträt wurde von der Seite des Schiffes aus aufgenommen, da es so besser zu sehen war. Most skizzierte auch einige Schiffe auf diese Weise. Während einer Expedition zur Oder im September 1842 zeichnete er ein segelndes Fischerboot und ein Schiff mit eingerollten Segeln. Das Boot hat ein Untersegel – das Großsegel – und ein Obersegel – das Gaffeltoppsegel- das am Großmast hängt. Der Zeichner markierte eine Linie, die um den Mast herumführte und das Untersegel mit ihm verband. Am Bugspriet ist das Segel aufgerollt und hängt schlaff herunter wie die Backen eines Pelikans. Bei der Zeichnung des größeren Zweimasters, hat Most versucht die Takelage zu zeigen. Besonders hervorzuheben sind die Befestigung der Masten mit Vierfachwanten an den Seitenwänden und die verstärkten unteren Abschnitte der Wanten, um deren Abrieb zu verhindern. In dem Skizzenbuch befindet sich auch ein loses Blatt mit einer stark vereinfachten Skizze dieses Schiffs. Vielleicht wurde es vom Sohn des Malers nach dem Vorbild seines Vaters angefertigt?
Maritime Genreszene
Weitere Skizzen, die Most am Oderufer anfertigte, zeigen das Gebiet weiter nördlich der Stadt. Auf der Hauptzeichnung hat der Künstler eine kleine Genreszene verewigt. Zwei Personen, die in einem Segelboot ohne Deck sitzen, das am Kai vertäut ist, unterhalten sich mit einem Bürger, der am Ufer steht. Gleichzeitig blicken sie auf einen Jungen, der sich auf den Boden gesetzt und die Beine hochgekrempelt hat und sich mit irgendetwas beschäftigt. Vielleicht wartet er gelangweilt oder unwillig auf eine Entscheidung durch die zwei Leute im Boot. Segeln oder nicht segeln – das ist hier die Frage! In der Ferne kann man andere Boote mit flatternden Segeln sehen. Auf dem Küstenhügel befinden sich längliche Gebäude und eine Windmühle. In der Ferne, am Horizont, ist die Silhouette der St. Johannis’ Kirche zu erkennen. Im Hintergrund dieser Zeichnung ist ein seltsames dreimastiges Schiff mit einem einzigen Segel am mittleren Mast zu sehen.
Es dampft, Räder bewegen sich… nicht nur an Land
Der erste Dampfer lief am 29. April 1826 in Stettin vom Stapel. Er wurde Kronprinzessin Elisabeth genannt (Kronprinzessin ist die Frau des Thronfolgers). Das Schiff hatte einen englischen Motor und konnte 150 Passagiere an Bord nehmen. Er verband die Häfen von Stettin und Swinemünde und ersetzte die Segelschiffe. Dadurch wurde die Reise um vier Stunden verkürzt. Erst ab 1842 interessierte sich Most wieder für die Silhouette des Dampfschiffs. Dies war jedoch ein etwas anderes, kleineres Schiff als das oben genannte. In seiner ersten Skizze stellte der Zeichner einen Dampfer und einen Dreimaster nebeneinander. Dieses Mal war er mehr von den Farben des Rumpfes fasziniert: grün, schwarz und blau.
Mosts Bedürfnis nach Genauigkeit lässt nicht nach
Die Ansicht des Dampfers vom Heck aus zeichnete er meist mit einem schärferen Bleistift, der es ihm ermöglichte, die Details zu erfassen. Most versuchte, die oberen Teile der beiden hohen Masten, die viel höher als der Schornstein sind, genau darzustellen. An ihnen waren Gaffelsegel befestigt. Am Heck ist das Steuerrad zu sehen. Auch der Radkasten ist deutlich umrissen. Im rechten Winkel zum Dampfer hat Most eine große und eine kleine Jacht skizziert, vielleicht auch dieselbe Jacht nur in zwei verschiedenen Maßstäben. Darauf deutet die identische Bauweise der beiden Schiffe hin. Es handelte sich um eine einmastige Jacht mit einem Gaffel- und einem Focksegel am Großmast und einem Klüver am Bugspriet. Der Schnitt der windgefüllten Segel unterstreicht die Schönheit des Schiffes.
Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most (Bremervörde), Günter Müller (Erfurt), Germany
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