Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most (Bremervörde), Günter Müller (Erfurt), Germany
Ludwig Most überrascht immer wieder. Dank seiner unerschöpflichen Neugier auf die Welt und dem Bedürfnis zu reisen, lernen wir, diesmal in Schlesien, viele interessante Architekturzeugnisse und ethnographische Besonderheiten der Gegend kennen. Dr. Ewa Gwiazdowska analysierte den Inhalt der Skizzenbücher des Künstlers gründlich. In diesem Bericht werden ihnen neue Begriffe und Aussagen (wie z.B.Wimperg mit Krabben und Kreuzblume,Strebepfeiler oder Dansker) zur Kenntnis gebracht, die sie sicherlich zuvor nicht kannten und von denen sie auch in keiner Tageszeitung lesen. Daher lohnt es sich, die Gelegenheit zu nutzen, um Ihre Kenntnisse auf angenehme Weise zu bereichern. Indem Sie diese Episode lesen, werden sie das feststellen. [J.G.]
Dr. Ewa Gwiazdowska Most in Schlesien, Teil 2
Expedition XXXVIII
Unterwegs durch Städte und Dörfer
Mosts Enkel hat aus den Notizen des Künstlers den Anfang der Schlesischen Reise in das Skizzenbuch hinzugefügt. Most war damals, offensichtlich in Eile, und doch gelang es ihm, interessante architektonische Bauten und Industrieanlagen auf dem Weg anzuschauen und zu skizzieren. Die Zeichnungen zeigen, dass er sich sehr für die materielle Kultur interessierte, die für die Gebiete, durch die er ging, charakteristisch war.
Schönes, historisches Königsberg in der Neumark
Most, der auf dem Weg nach Schlesien war, zeichnete Architektur und ethnographische Motive, die ihn besonders faszinierten. Seinen ersten Halt machte er in Königsberg/Neumark. Die historische Stadt begeisterte ihn mit der Schönheit gotischer Bauten. Bereits auf der ersten Seite des Skizzenbuches präsentierte er das Schwedter Tor voller romantischer Assoziationen. Um der Zeichnung einen auffälligeren Look zu verleihen, malte er die Ansicht als Aquarell. Der Name des Tores weist darauf hin, dass der Weg durch das Tor nach Schwedt führt. Die runde Projektion der Wand im Vordergrund zeigt an, dass dasTor von der Seite des Barbakan betrachtet und gezeichnet wurde.
Über den Dächern der Altstadt von Königsberg
Die Skizze von Königsbergs Gebäuden in Richtung des säkularen Tores machte Most mit Blick auf die Stadt durch das Fenster des Gasthauszimmers, in dem er übernachtete. Im Vordergrund sehen wir einen Hof innerhalb des Stadtviertels, der durch einen Zaun in Teile getrennt ist, die zu verschiedenen Grundstücken gehören. Der Hof ist umgeben von kleinen Wohnhäusern mit Satteldächern. Der Kamm der Häuser, die weiter entfernt stehen, weist auf den Verlauf der Altstadtstraße hin. Hinter ihnen, in der Nähe der Mauern, befinden sich höhere Häuser,sowie eines mit einem steilen Krüppelwalmdach. Dieses Haus verdeckt den unteren vierseitigen Teil des malerischen Schwedter Tors und gibt die Ansicht auf den höheren achteckigen Teil des Tores frei, der mit zylindrischen Anbauten gekrönt von pyramidenförmigen Dächern versehen ist. An einer der Seiten des unteren Torteiles, der durch Zinnen begrenzt ist, kann man einen hängenden Anbau sehen, der von unten geöffnet ist. Dies ist eine ehemalige Toilette, der sogenannte Dansker, der auch für Wachen gedacht war, die das Gebiet hinter dem Barbakan beobachteten, um die Bewohner vor Gefahr zu warnen.
Rathaus – Sitz der Gemeindebehörden
Eines der schönsten Gebäude in Königsberg war das gotische Rathaus. Seine Wände, und vor allem die repräsentative Fassade, wurden mit architektonischen Formen aus glasierten Ziegeln und Keramikbeschlägen verziert. Most machte eine genaue Zeichnung von nur einem Teil der Fassade, weil ihre symmetrische Form es ermöglichte, die fehlenden Motive im Gemälde nach dem Muster zu vervollständigen. Unabhängig davon zeichnete er ein Dekorationselement – einen gotischen Ziergiebel mit Krabben an den Seiten und mit einer Kreuzblume an der Spitze. Solche Motive, die Wimpergs genannt werden, zeigen den Formenreichtum dieses wichtigsten städtischen Amtes. Die zwischen den Strebepfeilern befindlichen Ziergiebel schmückten alle Stockwerke des Rathauses. Sie wurden auch über den Portalen des Gebäude platziert. Most skizzierte auch einen Abschnitt aus dem keramischen, durchbrochenen Fries zwischen den Obergeschossen, der aus Vierblattmotiven besteht. Rund um das Rathaus sind die Dächer der Häuser, die es eng umgeben, skizzenhaft angedeudet. Es ist erwähnenswert, dass das Rathaus nach dem Zweiten Weltkrieg fast originalgetreu wieder aufgebaut wurde, so dass es weiterhin der Stolz der Stadt ist.
Aus der ländlichen Umgebung von Königsberg
Rückseite, Most befuhr die Straße von Königsberg nach Küstrin und hielt auf dem Weg in einem Landgasthof an, um sich auszuruhen. Er interessierte sich so sehr für das regionale Outfit einer jungen, schlanken Frau, dass er sie sogleich in seinem Skizzenbuch festhalten musste. Er fertigte zwei Skizzen an – von vorn und von hinten – und beschrieb das Gesehene kurz. Die Frau trug ein knöchellanges braunes Kleid mit langen Ärmeln und einen breitflügeligen Hut. Sie hatte ein Bündel unter dem Arm oder vielleicht einen Kohlkopf, den sie auf dem Markt gekauft hatte?
Unten skizzierte Most einen Ofen und einen Durchgang zum Flur, in dem eine Truhe stand. An der dahinter befindlichen Wand war ein Kleiderbügel zu sehen. An der Wand über der Tür versäumte es der Künstler nicht, ein Regal für Geschirr und Kleingeräte darzustellen.
Bild aus Frankfurt (Oder)
Ein Motiv, das für das kommerzielle Frankfurt (Oder) charakteristisch sein sollte, entpuppte sich für Most als die Figur eines jüdischen Jungen. Er trägt einen gefalteten grauen Mantel und eine gelbe, wahrscheinlich lederne, lockere Hose, die zu hohen Stiefeln getragen wird. Er bedeckt seinen Kopf mit einer Mütze. Seine Nationalität wird durch die gedrehten Locken belegt, die an den Seiten seines Kopfes hängen. Für sein Alter spricht ein weicher Umriss des jugendlichen Bartes. Der junge Mann trägt eine schulranzenartige Tasche mit aufgesetzter Seitentasche, die mit einem Knopf über der Schulter befestigt war. Der Zeichner zeigte ihn in einer seltsamen Pose, als er auf seine Finger konzentriert und vielleicht mit diesen zählend, mit einem nackten Fuß und dahinter abgestellten Stiefel inmitten eines unbestimmten Raumes sinnierend steht und der Dinge wartet, die noch kommen werden. Dabei hebt ein stärkerer Windzug die gefaltete Hälfte seines Mantels hoch.
Ethnographische Kuriositäten aus Sommerfeld (heute Lubsko)
Die nächste Station auf dem Weg von Most nach Schlesien war Lubsko, damals Sommerfeld genannt. Diese mittelalterliche Stadt ist auch reich an Denkmälern: Die Kirche wurde im dreizehnten Jahrhundert im romanischen Stil errichtet und in der Gotik umgebaut, das Renaissance-Rathaus ist von 1580, die mittelalterliche Burg wurde im achtzehnten und neunzehnten Jahrhundert umgebaut. Diesmal interessierte sich Most jedoch nicht für architektonische Denkmäler aus vergangener Zeit, sondern wieder für ethnographische Motive. Er skizzierte das Oberteil einer Frau in einem Kleid mit kurzen Ärmeln und einem rüschenartigen Halsumhang sowie mit einer Mütze mit einer großen Schleife über der Stirn. Daneben wird in einer weiteren Skizze eine andere Kopfpartie gezeigt.Diesmal sind kleinere Veränderungen für den Hut und den Halsumhang festgehalten. Unten präsentierte er das Innere des Gasthauses mit Sideboards, die mit Reihen von dekorativen Gefäßen, einer Theke und einem Tisch und einer Bank an einem hohen Kachelofen gekrönt waren.Die Skizzen sind angereichert mit zahlreichen Beschreibungen, die jeden freien Kartenplatz füllen.
Als Übersetzer waren tätig: Ludwig Most (Bremervörde), Günter Müller (Erfurt), Germany
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